Seit August verleiht die Zweigbibliothek Medizin iPads an Wissenschaftler, Mitarbeiter des Uniklinikums und Studenten der Medizin. Vom 26. April bis 10. Mai 2012 wurden die (bis dahin) 116 studentischen Ausleiher in einer Online-Umfrage (PDF) bei SurveyMonkey nach ihrer Nutzung befragt. Die Ergebnisse finden Sie im Folgenden.
Rücklauf: Von den 116 per Email angeschriebenen Personen antworteten 75, eine Email war falsch, so dass sich eine Rücklaufquote von 75/115 = 65% ergab. Dies ist zum einen sicherlich der Auslobung von drei Büchergutscheinen geschuldet, zum anderen der persönlichen Ansprache, da die Ausleiher namentlich angeschrieben wurden.
Von den 75 Antwortenden befanden sich 28 in den vorklinischen Semestern 1-4 und 39 in den klinischen Semestern 1-8. Fünf Personen gaben ihre Semesterzahl nicht an, drei weitere waren keine Medizinstudenten.
Benutzungszweck: Wie die untere Abbildung zeigt, benutzten 79% der Antwortenden den iPad primär zur Informationssuche im Internet und 69% zum Büffeln von Prüfungsfragen mit diversen MC-Tools. Über die Hälfte arbeitete mit Vorlesungsskripten und -Folien auf dem iPad, einige gaben an, dies auch während der Vorlesung zu tun. Auch der nächste Punkt war dem Lernen gewidmet, 42% benutzten das iPad zum „Sonstigen Lernen“. Wir kommen später darauf zu sprechen, welche der 350 vorinstallierten Apps hier auf besondere Liebe stiessen.
(Abbildung 1: Benutzungszweck, Klicken zum Vergrössern)
Dass iPads auch personalisiert benutzt werden können, zeigt sich im nächsthäufigsten Benutzungszweck: 36% benutzten Mail, Kalender oder Kontakte auf den iPads, diese können einfach mit dem heimischen PC oder dem eigenen Google-Konto synchronisiert werden und verwandeln den iPad so in eine individualisierte Kommunikationszentrale.
Wie zwischen Tür und Angel zu hören ist, sind Studenten keine Lernmaschinen, sondern erholen sich zwischendurch auch gerne einmal mit Computer-Spielen. Immerhin 31% gaben an, Spiele, Filme oder Musik auf den Bibliotheks-iPads benutzt zu haben.
29% lasen auf den iPads Online-Bücher und jeder vierte suchte Literatur. Wie mittlerweile bekannt, taugt der iPad nicht unbedingt zum Schreiben von Texten oder Excel-Tabellen, nicht verwunderlich landete dieser Zweck mit 7% auf dem letzten Platz.
Die drei auffälligsten Unterschiede zwischen Vorklinikern und Klinikern in den Benutzungszwecken ist zum einen, dass Studenten in der Klinik das iPad doppelt so häufig als Multimediamaschine benutzten wie ihre jüngeren Kommilitonen (41% vs. 21%). Zum anderen machten sie wesentlich häufiger Gebrauch von Vorlesungsskripten (64% vs. 43%) und suchten dreieinhalb-mal intensiver nach Literatur (38% vs. 11%). Hier könnte eine Nutzung durch Doktoranden oder innerhalb von POL-Plockpraktika die Ursache sein.
Benutzte Anwendungen: Die mit Abstand am häufigsten benutzte Anwendung auf den iPads war das medizinische Prüfungstool Thieme examen online. 54% gaben an, es sehr oft oder oft zu nutzen, insgesamt benutzten es 71% aller Ausleiher wenigstens einmal. Die von der Bibliothek angebotenen Online-Bücher (und hier insbesondere die Online-Lehrbücher) kommen mit 68% knapp dahinter auf Platz zwei.
(Abbildung 2: Benutzte Anwendungen, Klicken zum Vergrössern)
Die beiden Apps auf den folgenden Plätzen dienten ebenfalls dem Lernen: Das Volltextbuch Sobotta Anatomie (57%) und die Prometheus-Lernkarten der Anatomie (55%). Office-Programme belegten mit 52% Rang 5, was verwundert angesichts ihres schlechten Abschneidens in Frage 1 (s.o.). Die Verwunderung wird noch größer, wenn man sich die sehr of/oft-Nutzung anschaut: Hier belegen sie sogar den dritten Platz vor den beiden Anatomieprogrammen. Meine erste Vermutung ist, dass auch die Nutzung von PDF unter Office-Programme subsummiert wurde. Online-Bücher werden zu 99% als PDF genutzt, PDF ist damit das am meisten genutzte Fileformat auf Tablet-Computern, wie auch die gute Nutzung des PDF-Programms GoodReader zeigt.
Neben den Online-Büchern der Verlage Thieme, Elsevier und Springer (die von der Bibliothek gekauft und angeboten werden), greift die Hälfte der iPad-Nutzer offensichtlich auch gerne auf weitere Online-Bücher zurück. Welcher Art die Provenienz dieser Online-Bücher ist, kann nur vermutet werden. Frei im Internet verfügbare Bücher? Online-Bücher weiterer Verlage?
Auf Platz 7 und 8 folgen wieder Tools zum Kreuzen von Prüfungsfragen, diesmal jedoch kein Onlinetool wie Thieme examen online, sondern mit MediSript (49%) und iPhysikum (38%) zwei Apps, die auf den iPads vorinstalliert waren und die Offline-Benutzung erlauben (dazu später mehr). Damit dienen fünf der wichtigsten acht benutzen Anwendungen der unmittelbaren Prüfungsvorbereitung.
Es folgen UpToDate, eine klinische Reviewsdatenbank, Herold Innere Medizin, eine vorinstallierte, offline zu nutzende Buch-App, und Arzneimitteldatenbanken wie die Rote Liste auf dem letzten Platz.
Benutzungsorte: Die ausgeliehenen iPads werden hauptsächlich zu Hause benutzt (84% sehr oft/oft): Sage und schreibe 96% haben das Bibliotheks-iPad wenigstens einmal zu Hause benutzt. Unterwegs (51% sehr oft/oft) und in der Bibliothek (32% sehr oft/oft) sind ebenfalls beliebte Nutzungsorte, während das „Café“ demgegenüber doch ziemlich abfällt (11% sehr oft/oft). Bibliothek und Café können als gelegentliche Nutzungsorte bezeichnet werden, da hier die ab und zu/selten-Nutzung deutlich überwiegt.
(Abbildung 3: Benutzungsorte, Klicken zum Vergrössern)
Beurteilungen: Fast alle Antwortenden vertraten (deutlich) den Standpunkt, dass die Ausleihe von iPads eine hervorragende Idee der Bibliothek war (96%) und dass alle Vorlesungen auf den iPads zur Verfügung stehen sollten (92%). Drei Viertel meinten, dass die Anwendungen auf den iPads auch ohne Internetanschluß funktionieren sollten – ein verständlicher Wunsch, da viele der begehrtesten Inhalte ohne WLAN nicht zugänglich sind (wie z.B. Thieme examen online). Obwohl vier der Geräte es theoretisch erlauben würden, mit einer Sim-Karte auch unterwegs online zu gehen, wurde diese Funktionalität bis jetzt nicht nachgefragt.
(Abbildung 4: Beurteilungen, Klicken zum Vergrössern)
Sechs von zehn Studenten votierten für eine Verlängerung der Ausleihe von jetzt 2 Wochen auf ein ganzes Semester. Die Vorteile einer solchen Regelung liegen auf der Hand: Man könnte sich intensiver mit den Apps und Inhalten beschäftigen, es würde sich lohnen das iPad personalisieren, man könnte länger für die Prüfungen lernen und hätte die Garantie, dass die benötigten Online-Bücher und Prüfungstools einem in der gesamten Vorbereitungszeit zur Verfügung stehen würden.
59% befürworteten, dass genügend iPads für jeden (interessierten) Studenten zur Verfügung stehen sollten, und ebensoviele meinten, dass Vorlesungen nicht nur als Manuskript sondern auch als Video (59%) auf den iPads zugänglich sein sollten. Ob als Medienarchiv oder live als Stream wurde nicht abgefragt.
37% würden gerne auch Tablet-Computer anderer Hersteller ausleihen, 27% planen sich selber ein iPad zu kaufen oder haben es bereits getan.
Immerhin für jeden Siebten stellt das iPad einen vollkommenen Ersatz für gedruckte Lehrbücher dar und acht Prozent meinen gar, dass E-Books (auf dem iPad) die gedruckten Lehrbücher eines Tages ersetzen werden. Während sich Studenten der Vorklinik und Klinik bei allen übrigen Fragen nicht signifikant unterscheiden, sind hier die Unterschiede unübersehbar: In den ersten vier Semestern sind die Studenten deutlich zaghafter, was die neuen Medien angeht: Nur etwa jeder Dreissigste (3.6%) stimmt dem Übergang von gedruckten zu elektronischen Lehrbüchern zu, dagegen denken doppelt soviele aus den höheren Semestern (7,7%), dass E-Books die gedruckten Lehrbücher bald ersetzen werden. Jeder Fünfte (20,5%) könnte mit dem iPad sogar komplett auf gedruckte Lehrbücher verzichten.
In einer der nächsten Blogposts wird die Auswertung der Umfrage mit einer Untersuchung der Unterschiede von Studenten und Wissenschaftlern bzgl. ihrer iPad-Nutzung fortgesetzt.