Professor Dr. Hendrik Weber
Die Vernetzung von mathematischen Teilgebieten ermöglicht neue Perspektiven und vielversprechende Forschungsansätze. Um diesen Ansatz zu stärken, hat der Exzellenzcluster Mathematik Münster spezielle "Bridging the Gaps"-Professuren für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eingerichtet, die in ihrer Forschung verschiedene Bereiche vereinen – so wie Prof. Dr. Hendrik Weber. Der Experte für stochastische Analysis ist im September 2022 von der University of Bath ans Institut für Analysis und Numerik in Münster gewechselt. Im Gepäck: ein kürzlich bewilligter ERC Consolidator Grant.
Hendrik Weber arbeitet an hochdimensionalen Systemen mit zufälligen Einflüssen, sogenannten stochastischen partiellen Differentialgleichungen (SPDE). "Solche Gleichungen sind in vielen Anwendungsgebieten wichtig, zum Beispiel in der Modellierung der Evolution von Spezies, der Strömungsmechanik oder der Analyse von statistischen Methoden", erklärt der Mathematiker. Er arbeitet vor allem an Gleichungen aus der mathematischen Physik. Mit seiner Gruppe untersucht er grundsätzliche Eigenschaften dieser Gleichungen, wie etwa deren Lösbarkeit oder die Regularität der Lösungen.
Hendrik Weber, aufgewachsen in Leverkusen, war schon in der Schulzeit fasziniert von der Mathematik, die hinter Naturwissenschaften wie Chemie und Physik steckt. Ein Buch über Integrale und Differentialgleichungen bestärkte dieses Interesse. Er begann sein Mathematikstudium an der Universität Heidelberg, nahm für ein Jahr an einem Studienprogramm der "Ecole normale supérieure de Paris" (ENS) teil und absolvierte dann sein Diplom an der Universität Bonn. Dort blieb er auch für seine Promotion, betreut von Karl-Theodor Sturm, die er 2010 abschloss.
Inspirierende Postdoc-Zeit beim Fields-Medaillen-Träger in England
Bei einem USA-Aufenthalt lernte er den späteren Fields-Medaillen-Träger Martin Hairer kennen, der zu stochastischen partiellen Differentialgleichungen (SPDE) mit Anwendungen in der statistischen Mechanik forscht. "Ich war direkt beeindruckt von seiner Klarheit", erinnert sich Hendrik Weber. Deshalb zögerte er nicht lange, als Hairer ihm eine Postdoc-Stelle anbot, auch wenn es dafür an die eher ländlich gelegene University of Warwick in England ging – und nicht wie erhofft ins quirlige New York. "Diese Zeit war sehr inspirierend, viele tolle Leute gehörten zu der Arbeitsgruppe. Martin hat sich richtig viel Zeit genommen und stundenlang im Common Room mit uns diskutiert. Und 2014 seine Auszeichnung mit der Fields Medaille mitzuerleben, war natürlich ein Highlight."
Insgesamt acht Jahre blieb Hendrik Weber an der University of Warwick und stieg im britischen Wissenschaftssystem auf: vom Postdoc zum Lecturer, zum Associate Professor und schließlich zum Reader. Für seine Forschungserfolge wurde er 2016 mit dem Rollo Davidson Prize und 2017 mit dem Philip Leverhulme Prize ausgezeichnet. 2016 erhielt er ein Forschungsstipendium für Nachwuchswissenschaftler der Royal Society.
Warum der Wechsel zu Mathematics Münster? Mich hat die Dynamik und die positive Stimmung hier beeindruckt.
2018 übernahm er an der University of Bath den Lehrstuhl für Wahrscheinlichkeitstheorie. Dort erreichte ihn Anfang vergangenen Jahres die frohe Botschaft, dass der European Research Council ihm für sein Projekt "Global estimates for non-linear stochastic PDEs" einen ERC Consolidator Grant in Höhe von rund zwei Millionen Euro bewilligt. Die Förderung läuft seit Oktober – aber nun nimmt er sie in Münster in Anspruch. Im September 2022 hat Hendrik Weber seine Professur am Fachbereich Mathematik und Informatik der Universität Münster angetreten. Auch privat ist er mit seiner Familie gut in Münster angekommen: "Wir haben für unsere beiden Kinder sogar Plätze in einer bilingualen Kita gefunden."
Warum der Wechsel zu Mathematics Münster? "Mich hat die Dynamik und die positive Stimmung hier beeindruckt", sagt Hendrik Weber. Er freut sich darauf, seine Arbeitsgruppe weiter auszubauen – zwei Doktoranden sind mit ihm aus Bath nach Münster gezogen –, seine laufenden Projekte weiterzuverfolgen und neue Forschungsfragen zu entwickeln, auch in Zusammenarbeit mit anderen Cluster-Mitgliedern. "Mich interessieren fundamentale mathematische Fragen, aber ich finde auch Anwendungen spannend, zum Beispiel in Richtung Data Science."
"Zusammenarbeit ist über alle Grenzen hinweg möglich"
Während seiner Laufbahn ist Hendrik Weber immer wieder Wissenschaftlern begegnet, die ihn geprägt und unterstützt haben, wie zum Beispiel Tadahisa Funaki während seiner Doktorarbeit, Felix Otto nach der Promotion und Andrew Stuart an der University of Warwick. Er hofft, dass er dazu beitragen kann, dass Mathematics Münster ein inspirierender Ort für alle Forschenden ist, unabhängig von Herkunft und Karrierestufen.
Dass die mathematische Community so offen und international ist, gehört für den 41-Jährigen zu den schönsten Aspekten seines Berufs: "Überall auf der Welt kann man sich mit Mathematikerinnen und Mathematikern einfach an eine Tafel stellen und diskutieren. Zusammenarbeit ist über alle Grenzen hinweg möglich."
Ein besonderer Moment ist es für ihn immer, wenn nach langem Nachdenken eine stimmige Lösung vor ihm liegt. "Dann ist auf einmal alles einfach." Dieser Aha-Moment könne ganz plötzlich kommen, berichtet er. Ein Beispiel: "Ich habe länger eng mit Jean-Christophe Mourrat zusammengearbeitet. Einmal hatten wir ein intensives Arbeitstreffen über mehrere Tage in Lausanne – und auf der Rückfahrt ist mir dann auf einmal die Idee für ein Puzzleteil gekommen, das zur Lösung unseres Problems gefehlt hatte. Da habe ich gerade am Genfer Flughafen eine Pizza gegessen!"
Stand: Februar 2023