Im späten 15. und dann vor allem im 16. Jahrhundert lässt sich eine bemerkenswerte Konjunktur der Wahrsagerei im christlichen Europa beobachten. Neben der göttlich inspirierten Prophetie blühten v.a. kalkulierende Verfahren wie die Astrologie, Geomantie oder Numerologie auf. Hinzu kamen aber auch Los- und Orakelbücher, die Chiromantie und Kristallomantie, Tee- oder Kaffeesatzleserei und einiges mehr. Diese Blüte der Wahrsagerei war Produkt eines räumlich weit gespannten Wissenstransfers über religiöse Grenzen hinweg. Sie fiel zugleich in eine Zeit, die von massiven konfessionellen Umbrüchen, der Hochphase der Hexenverfolgung und zahlreichen gesellschaftlichen Krisen geprägt war.

Ziel der Vorlesung ist es, diese komplexe Gemengelage genauer in den Blick zu nehmen. Sie bietet einen Einblick in die verschiedenen Formen der Wahrsagerei und die dahinterliegenden Denksysteme. Es wird um die Akteur:innen dieser spezifischen Wissensfelder gehen und um die Frage, welche Effekte der Einsatz von verschiedenen Formen der Wahrsagerei für das alltägliche Leben hatte. In zeitlicher Perspektive soll schließlich neben der Phase einer breiten Popularisierung im 16. und 17. Jahrhundert auch geklärt werden, welche Effekte die ‚aufklärerischen‘ Etikettierungen entsprechender Praktiken als Aberglaube hatten und welche neuen Formen der Wahrsagerei im Windschatten dieser Kritik im 18. und frühen 19. Jahrhundert entstanden.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2024/25