„Wie ein Gespenst Karls des Großen“, so hielt es Johann Wolfgang von Goethe in seiner autobiographischen Schrift über ‚Dichtung und Wahrheit‘ spöttisch fest, sei Kaiser Franz I. anlässlich seiner Frankfurter Krönung 1745 den Zeitgenossen erschienen. Sein Werk kann in doppelter Weise als Ausgangspunkt und Inspirationsquell für das Hauptseminar dienen: Es belegt einerseits, dass Reminiszenzen an die Herrschergestalten des Mittelalters bis weit in die Moderne hinein präsent blieben. Sie übten mit Goethe gesprochen Einfluss auf „die ungeheuren Bewegungen des allgemeinen politischen Weltlaufs“ aus, prägten Repräsentationshandeln und Regierungspraxis der Nachgeborenen in jeweils spezifischer Weise. Dem Werktitel des Weimarer Poeten folgend wird man andererseits diagnostizieren müssen, dass die vermeintlichen Wiedergänger keineswegs als identisch mit ihren historisch ‚wahren‘ Vorbildern anzusehen sind. Deren Rezeption gestaltete sich selektiv, sie wurde zudem durch immer neue Sinnschichten und Hinzudichtungen angereichert. Die Beschäftigung mit dem historischen Wandel der Erinnerungsbilder eröffnet damit vielfältige spannende Perspektiven auf die Epoche des Mittelalters.

 

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2024/25