Das Problem der Wahrheit spielt in erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Diskussionen eine zentrale Rolle. Wahrheit gilt als Adäquatheitskriterium von Naturgesetzen und wissenschaftlichen Theorien und als notwendige Bedingung von Wissen. Jede wissenschaftliche Errungenschaft wird sich am "Prüfstein" der Wahrheit messen lassen müssen. In diesem Seminar werden Texte von englisch- und deutschsprachigen Philosophen des 20. Jahrhunderts gelesen und diskutiert. Es werden dabei die Vertreter der wichtigsten Grundpositionen und Denkweisen vorgestellt, darunter Vertreter der Korrespondenztheorie, der Kohärenztheorie, der pragmatischen Theorie und der Redundanztheorie der Wahrheit. Begonnen wird mit der klassisch gewordenen Diskussion zwischen William James und Bertrand Russell. Ihr gemeinsamer Ausgangspunkt ist eine Art Korrespondenztheorie. Mit eleganter Beredsamkeit vertreten sie ihre verschiedenen Ansichten: James einen optimistischen Pragmatismus und Russell seine in Auseinandersetzung mit Pragmatismus und Kohärenztheorie entwickelte Version der Korrespondenztheorie. Die unter dem Einfluss des logischen Positivismus in den dreißiger Jahren geführte Diskussion über Wahrheit schließt sich an - hier durch Texte von Carnap und Popper repräsentiert, in den Texten von Ayer und vor allem Hempel referiert. In ihr geht es vor allem um das Problem der Verifizierbarkeit deskriptiver Sätze, sowohl von theoretischen Sätzen als auch von Beobachtungssätzen. In der Diskussion über die Wahrheit von Beobachtungssätzen steht die Frage danach im Mittelpunkt, ob diese Wahrheit als Korrespondenz oder als Kohärenz zu verstehen ist. Es folgt eine Debatte, die an Tarskis bekannte semantische Konzeption der (Korrespondenz-) Wahrheit anknüpft. Hierzu gehören Tugendhats Kritik an Tarski und Beiträge aus der englischsprachigen Diskussion über Tarski und über die sogenannte Redundanztheorie (die These von der Überflüssigkeit des Wahrheitsprädikates). Als Exponenten der englischsprachigen Diskussion über Korrespondenz und Redundanz sind hier Ramsey, Austin, Strawson und Ayer ausgewählt. Der in diesem Seminar hergestellte Diskussionszusammenhang ist eher der Versuch einer systematischen Rekonstruktion als eine Wiedergabe der historischen Entwicklung.

 

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2024/25