In seinem Werk "An Essay Concerning Human Understanding" begründet Locke, warum er sich mit der Frage "Was kann man wissen?" auseinandersetzt: Die Klärung dieser Frage sei nicht nur theoretisch notwendig, sondern auch von gesellschaftlichem Interesse, um viele politische, religiöse und ethische Streitigkeiten zu beenden und die Zeit wertvolleren Fragen widmen zu können. Wenn man beispielsweise entscheidet, dass man nicht wissen kann, was eine Substanz ist, wird man sich nicht mit der Frage beschäftigen, ob die Substanz sterblich oder unsterblich ist. Die Einsicht in die Kräfte und Grenzen unseres Verstandes dient also dem Gemeinwohl. Locke ist nur ein Beispiel für eine Tendenz in der Frühen Neuzeit, die in Hume und dann in Kant - mit unterschiedlichen Ergebnissen - gipfelt, bevor sich diese Tendenz, vielleicht gerade als Folge der Philosophie Humes, umkehrt: Unser Wissen und das, was wir für wahr halten ergibt sich aus den gesellschaftlichen Interaktionen, von denen wir nie frei sind. Obwohl dieser letzte Satz auch auf die frühneuzeitlichen Philosophinnen und Philosophen zutrifft, lehnen die Philosophinnen und Philosophen der Frühen Neuzeit die stärkere These ab, dass die Erkenntnistheorie einer Gesellschaftskritik voraussetzt, wie sie von vielen Autorinnen und Autoren im 19. und 20. Jahrhundert vertreten wird. Die Philosophinnen und Philosophen der Frühen Neuzeit vertreten vielmehr die These, dass eine Gesellschaftskritik einen erkenntnistheoretischen Diskurs voraussetzt. Das Ziel des Seminars ist es, durch einen philosophiehistorischen Exkurs anhand der Lektüren und Diskussionen von Philosophinnen und Philosophen der frühen Neuzeit das Verhältnis von Erkenntnistheorie und Gesellschaftskritik zu verstehen. Wir werden uns mit Hobbes, Spinoza, Cavendish, Leibniz, Locke, Hume, Kant, u.a. auseinandersetzen. Das vollständige Programm wird in der ersten Sitzung bekannt gegeben. |
- Lehrende/r: Lucia Oliveri