Andrej Tarkovskij (1932–1986) gehört zu den weltweit bekanntesten russisch-sowjetischen Regisseuren. Im Gegensatz zu anderen ‚Exportschlagern‘ aus Mittel- und Osteuropa sind große Teile seines filmischen Werks ohne die Kenntnis ihrer Entstehungskontexte und -hintergründe nur schwer zugänglich; selbst die großen universellen Fragen werden von einem Dickicht enigmatischer Referenzen auf die russische und europäische Kulturgeschichte verdeckt.
Ziel des Seminars ist die Einführung in den russischsprachigen Teil von Tarkovskijs Filmwerk, zu dem Ivans Kindheit (1962, Ivanovo detstvo), Andrej Rublev (1964/6), Soljaris (1972), Der Spiegel (1974/5, Zerkalo) und Stalker (1979) gehören. Zu jedem der fünf Filme wird es eine Einführungssitzung geben, welche sich mit den zentralen Prä- und Kontexten beschäftigt: Die Besonderheiten des Spielfilmdebuts Ivans Kindheit, das sich den Grausamkeiten des Zweiten Weltkriegs widmet, kommen deutlich besser zum Vorschein, wenn man sie vor dem Hintergrund der Evolution des sowjetischen Films in der Nachkriegszeit und seiner Produktionsbedingungen während der Tauwetter-Periode sieht. Die Vielschichtigkeit des Filmepos über den Ikonenmaler Andrej Rublev wird nur dann wahrnehmbar, wenn man den Stellenwert der Ikone, des Heiligenbilds der orthodoxen Kirche, für die russische Kultur kennt. Solaris und Stalker gewinnen an Tiefe, wenn man mit den literarischen Vorlagen vertraut ist, also Stanislaw Lems Solaris (1961) und Picknick am Wegesrand (1972, Piknik na obocine) der Brüder Strugackij (nebenbei bekommt man so auch einen Einblick in das Schaffen der zentralen Vertreter der polnischen resp. sowjetrussischen Science-Fiction). Der Spiegel schließlich wird etwas zugänglicher, wenn man weiß, worüber sich die Slavophilen und Westler im 19. Jh. stritten (und wer sie überhaupt waren).
Triggerwarnung: In Tarkovskijs Filmen finden sich Darstellungen unterschiedlicher Arten sowohl psychischer Gewalt als auch körperlicher Gewalt gegen Menschen und Tiere. Aus mehreren Gründen werde ich nicht zu jeder Sitzung eine ausführliche Aufschlüsselung mit den entsprechenden Inhalten bereitstellen und belasse es daher bei dieser allgemeinen Warnung.
- Lehrende/r: Valentin Peschanskyi