Die Veranstaltung ist konzipiert als Lektürekurs. Wir werden die „Zweite Abhandlung über die Regierung“ von John Locke durcharbeiten. Das Werk wurde 1689 anonym veröffentlicht und heute liest man meist nur den zweiten Teil. Der erste Teil beschäftigt sich mit Prinzipien der gerechten Regierung aus der Perspektive der Bibel. In der Vormoderne besteht Wissenschaft darin, seine praktischen und theoretischen Fragen zu beantworten, indem man herausfindet, was die Bibel dazu sagt. In dem ganzen Werk (beide treatises) stellt Locke die Theorie des Liberalismus als kapitalistische Ideologie vor. Der Kern dieser Ideologie ist die These des Privateigentums als eines exklusiven Privilegs (alle anderen sind von der Nutzung meines Eigentums effektiv ausgeschlossen, wenn ich das will). In der europäischen Kultur gab es zuvor noch die These eines inklusiven Eigentumskonzeptes, mit der Locke bricht. Diese Ideologie zu verstehen, ist Ziel der Lektüre. In der ersten Abhandlung wird gegen die Tradtion gezeigt, dass der Liberalismus schon in der Bibel steckt. Die zweite Abhandlung ist das moderne Narrativ, das die Bibel und ihre Exegese methodisch ersetzt. Dieses Gedankengut ist als Wirtschaftsliberalismus tief in unserer Kultur verankert. Das Werk ist also zentral, um einen epochalen Methodenwandel zu verstehen und die moderne Ideologie der „Rechten“ (im Sinne der französischen Revolution) zu untersuchen.

Kurs im HIS-LSF

Semester: ST 2024