Immanuel Kant vertrat die Auffassung, dass jeder Mensch gegen jeden Menschen ein Besuchsrecht besitzt. Die Erdoberfläche ist begrenzt und Menschen müssen andere erdulden. Einerseits ist die Fläche des Globus natürlich begrenzt, andererseits ist der Ort, auf dem die Füße eines jeden Menschen stehen, nicht natürlich der seine. Dass jeder von uns irgendwo einen Ort einnimmt ist also eine gewisse Dreistigkeit gegen jeden anderen. Jeder hat deshalb (aus der anthropologisch notwendigen Notwendigkeit des Rechtsbegriffes heraus) das Recht, jeden zu besuchen. Das Besuchsrecht ist aber kein "Gastrecht" und es ist (wie gesagt) auch nicht "philanthropisch". Für Kant ist dieses Besuchsrecht "natürliches Recht" und somit konstitutives Prinzip des Rechts im notwendig existierenden Staat. Interessant wird diese These für uns heute aus folgendem Grund: Die Ausgrenzung von Menschen aus dem Rechtsraum eines Nationalstaates ist naturrechtlich ein unerträglicher Skandal des Staates gegen jeden einzelnen Menschen in der Welt. Der Staat muss daher (so meint Kant) ein willkürliches Besuchsrecht einräumen (sowohl das eigene Land verlassen, als auch ein anderes betreten zu dürfen). Aus dem Besuchsrecht folgt kein Gastrecht. Doch, nota bene: er schlussfolgert kein Gastrecht der Individuen gegen jeden andren, in Staaten heute gibt es aber aufgrund innerer Rechtsprinzipien (bspw. solidarische Unterstützungspflichten der Individuen im Staat gegeneinander) Unterstützungspflichten des Saates gegen jeden beliebigen Menschen in der Welt. Gegen diese Pflichten kann sich der Staat auf keine Weise erwehren als ihnen nachzukommen. (Die philanthropisch gemeinte These des "Wir schaffen das!" ist also philosophisch alternativlos.) Nun, man sieht, dass für Kant Migration ein ethisches und rechtsphilosophisches Thema darstellt. Das Seminar wird die verschiedenen Debattenstränge einer Philosophie der Migration verfolgen.

Kurs im HIS-LSF

Semester: ST 2024