Bei „Thick Concepts“ handelt es sich um eine besondere Klasse von Begriffen: Diese Begriffe zeichnen sich dadurch aus, dass sie sowohl einen deskriptiven (nicht-evaluativen) als auch einen normativen (evaluativen) Gehalt haben. Ein prominentes Beispiel dafür wäre etwa der Begriff „grausam“. Einerseits scheint dieser Begriff eine Familie von Verhaltensweisen zu beschreiben, für die das Verursachen von tiefem Leid wesentlich ist. Andererseits scheint damit aber zugleich auch eine negative Beurteilung dieser Verhaltensweisen zu erfolgen. Eben weil der Begriff „grausam“ neben dem deskriptiven auch über diesen normativen (nämlich abwertenden) Gehalt verfügt, widerspräche es wohl auch unseren sprachlichen Intuitionen, von einer Person zu sagen, sie sei gleichzeitig grausam und gut. Während einige Philosoph*innen nun dafür argumentiert haben, dass sich die normative und die deskriptive Ebene im Falle von Thick Concepts stets analytisch trennen lassen, haben andere die etwas überraschendere These vertreten, dass genau das nicht möglich sei: Deskriptiver und normativer Gehalt, oder Tatsache und Wert, seien in diesen Begriffen untrennbar miteinander verbunden.
Thick Concepts wurden bisher hauptsächlich im Kontext der Metaethik diskutiert. Im Zentrum der Debatte standen dabei vor allem Begriffe für ethische Tugenden und Laster wie z.B. „großzügig“ oder eben „grausam“. In diesem Seminar werden wir hingegen gemeinsam die Rolle von Thick Concepts in der Erkenntnistheorie und Wissenschaftsphilosophie erörtern: Sind z.B. intellektuelle Tugenden wie „Aufrichtigkeit“ und „Aufgeschlossenheit“ oder theoretische Tugenden wie „Einfachheit“ und „Kohärenz“ in ähnlicher Weise „thick“ wie die besagten ethischen Tugenden? Wie steht es um die Begriffe „falsizifierbar“, „peer-reviewed“ oder gar „wissenschaftlich“? Da sich der Fokus in Bezug auf Thick Concepts erst in den letzten Jahren allmählich von der Metaethik auf die Erkenntnistheorie und Wissenschaftsphilosophie auszuweiten beginnt, hat das Seminar teilweise noch explorativen Charakter. Wir werden versuchen, die bisher verfügbaren Überlegungen und Argumente weiterzudenken und in die beiden zuletzt genannten Bereiche zu übertragen. Idealerweise wird so ein bisher wenig beachteter Überschneidungsbereich von Metaethik, (Tugend-)Erkenntnistheorie und Wissenschaftsphilosophie sichtbarer.
Die Literaturauswahl sowie die Details zur Seminarorganisation werden in der ersten Seminarsitzung bekannt gegeben.
- Lehrende/r: Jochen Müller