Wie ist ein kritisches Denken aus einer soziologischen Perspektive in Zeiten multipler Krisen und Konflikte möglich? Dieser Leitfrage wollen wir in unserem Seminar nachgehen. Indem wir zunächst die Entstehungsgründe kritischer Gesellschaftstheorien, wie sie insbesondere nach den Erfahrungen des 2. Weltkriegs und der Herrschaft totalitärer Systeme entstanden sind, nachvollziehen, wenden wir uns in einem zweiten Schritt Diskursen des Posthumanismus zu. Die damit verbundenen und maßgeblich aus einer Kritik an der Zentralstellung des menschlichen Subjekts hervorgehenden Ansätze strahlen in zahlreiche Bereiche aus, in denen jeweils anhand der spezifischen Gegenstandsbereiche Formen der Kritik entwickelt worden sind, um traditionelle Vorstellungen des Menschseins zu überwinden. Diese Engführung unseres Erkenntnisinteresses erlaubt uns nicht nur eine notwendige Fokussierung, sondern führt direkt zu wesentlichen Problemlagen des 21. Jahrhunderts. Anhand zentraler Achsen wie Macht, Ungleichheit und Ausgrenzung fragen wir gezielt danach, wer und was jenseits des (klassischen) Menschen der Gesellschaft eigentlich angehört, was sich an ihren Grenzen ereignet und welche alternativen Einzugsbereiche des Sozialen zu einer Reformulierung des Gesellschaftsverständnisses anhalten. Konkret rufen wir die drei Register des Ökologischen, des Technischen und des Politischen auf, um damit verbundene Problemlagen und Phänomene aufzuspüren. Wie lassen sich aus einer posthumanistischen Perspektive Einsatzpunkte eines kritischen Denkens in Bezug auf: gesellschaftliche Naturverhältnisse im Angesicht der ökologischen Krise; die Implikationen einer zunehmende Technisierung des menschlichen Lebens durch Künstliche Intelligenz und Robotik; die Frage nach Teilhabe, Integration und sozio-kulturellen sowie sozio-historischen Ungleichheitsdimensionen bestimmen? Das Ziel ist es, am Ende nicht nur einen Überblick über einige posthumanistische Diskurse unter der besonderen Berücksichtigung soziologischer Fragestellungen kennengelernt zu haben, sondern Kritik als soziologischen Denkstil einzuüben.
- Lehrende/r: Carsten Ohlrogge