Jacob Burckhardt stellte seinen Überlegungen zum „Zeitalter der Französischen Revolution” 1871 die berühmten Worte voran, dass seit der Revolution „alles bis auf unsere Tage lauter Revolutionszeitalter” gewesen sei und die Welt „vielleicht erst an den Anfängen, oder im zweiten Akt” grundlegender Umwälzungen stehe, die sich „im Gegensatz zu aller bekannten Vergangenheit unseres Globus” befänden. Vor dem Hintergrund der vielen blutigen und der friedlichen Revolutionen des 19. und 20. Jahrhunderts oder der ‚Farben-Revolutionen‘ oder der Umwälzungen in der islamischen Welt im 21. Jahrhundert Welt verweist das Zitat nicht nur auf prophetische Potenziale des wohl berühmtesten Schweizer Historikers, sondern unterstreicht das klassische Bild von der Französischen Revolution als zentralem weltgeschichtlichen Einschnitt, der die Alte Welt in eine Epoche permanenten sozialen und politischen Umbruchs katapultierte.
In der Vorlesung werden wir uns schwerpunktmäßig einerseits mit der Frage befassen, warum die Krisen des ‚Alten Regimes‘ 1789 in eine solch folgenreiche revolutionäre Umwälzung mündeten und andererseits verfolgen, wie aus ihr eine neue politische Kultur hervorging. Waren etwa Monarchie und traditionelle Ständegesellschaft fundamental reformunfähig? Welche Rolle spielten soziale und ökonomische Faktoren wie die Wirtschafts- und Finanzkrisen des Ancien Régime als treibende Kräfte der Revolution? Unterminierten größere kulturelle Transformationsprozesse der Aufklärung wie der Wandel von Öffentlichkeit und Politikverständnis im 18. Jahrhundert die Legitimität des Ancien Regime, bis es nicht mehr zu retten war? Lagen in der politischen Kultur auch die Ursachen dafür, dass sich die Revolution von 1789 später radikalisierte, die Monarchie gewaltsam beseitigte und in das Blutvergießen der Terreur mündete?
Bei der Beantwortung dieser und anderer Fragen wird die Vorlesung besonderes Augenmerk darauflegen, wie unterschiedliche sowohl zeitgenössische als auch spätere Welt- und Geschichtsbilder die Deutungen und den zugeschriebenen Stellenwert der Revolution sowie ihre Erinnerungskultur prägten.
Ziel der Vorlesung ist es, einen Überblick über die Geschichte Frankreichs im späten 18. Jahrhundert und während der turbulentesten und folgenreichsten Epoche der Geschichte des Landes aber auch dessen Wirkungen auf Europa und die überseeische Welt zu gewinnen.
- Lehrende/r: Tilman Haug