Mit dem Brüchigwerden von Narrativen, die die Frühe Neuzeit als eine Epoche zunehmender Säkularisierung und ‚Entzauberung‘ von Welt und Herrschaften konzeptualisierten, ist in der rezenteren Forschung die Einsicht gewachsen, daß auch in Zeiten zunehmender Rationalisierung und Bürokratisierung der Rekurs auf religiöse Bilder, Symbole und Wertvorstellungen als politische Legitimationsressource keineswegs obsolet geworden war. Gerade in den Jahrzehnten nach 1648 scheinen Fürsten, besonders Könige und der Kaiser sogar wieder verstärkt auf die Vorstellung einer Herrschersakralität, verstanden als Geltungsbehauptung einer besonderen Nähe zu Gott und der Erwählung zur Herrschaft durch ihn selbst, zurückgegriffen zu haben. Sie steht im Kontext einer verstärkten Betonung des Abstandes zwischen dem immer stärker entrückten Monarchen und selbst den adligen Eliten, die sich nun immer deutlicher auf ihre Rolle als Untertanen zurückgeworfen und, hier stärker, dort weniger ausgeprägt, in älteren Vorrechten beschnitten sahen. Herrscher verstanden sich als Abbild oder Stellvertreter Gottes auf Erden oder gleich, mit einem Psalmwort, als „Erdengötter”. Diese Stellung konnte aber nicht nur behauptet werden, sondern mußte, zumal in der höchst kompetitiven Staatenwelt um 1700, medial evident gemacht werden – gegenüber den eigenen Untertanen, vor allem aber auch gegenüber den Standesgenossen sowie einer wachsenden Öffentlichkeit kritischer Beobachter. Fürstlichen Bauten, denen schon Bernini die Aufgabe zuschrieb, Bildnisse des Gemütes ihrer Herren („i ritratti dell’animo dei principi”) zu sein, wuchs dabei schon wegen ihrer besonderen Wirkmacht eine sehr wichtige Rolle zu. Wie manifestierten Kirchen und Paläste, Schlösser und Monumente die neu betonte Sakralität von Herrschern, ihre Gottesnähe und die Distanz zu ihren Untertanen? Welche Repräsentationsstrategien und Modelle, welche Formen der Erzeugung von Evidenz und Glaubwürdigkeit kamen dabei zum Tragen? Diesen Fragen soll anhand von Beispielen vor allem (aber nicht nur) aus Frankreich, Schweden und dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation nachgegangen werden.
Beginn: 13.04.2023
- Lehrende/r: Jens Niebaum