Taufe, Hochzeit, Bestattung – daß die großen Stationen des Lebens mit Gottesdiensten begangen und markiert werden, hat eine lange Tradition. Aber erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde es üblich, aus diesem Anlaß Texte, vor allem die Predigt, zu drucken und zu verteilen, eine Sitte, die sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wieder zu verlieren begann. Wir haben es also mit einem typisch frühneuzeitlichen Texttyp zu tun. Die größe Verbreitung fanden Leichenpredigten, die seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts als historische Quellen gewürdigt und ausgewertet werden und inzwischen in wachsender Zahl digital verfügbar sind. Die Leichenpredigten waren mitunter ziemlich umfangreich und enthielten nicht nur die Predigt, sondern beispielsweise auch biographische Skizzen. So fällt Licht auf viele Menschen, über die man sonst nichts erfahren würde, freilich nur Mitglieder der höheren Schichten, die sich so etwas leisten konnten. In der Übung sollen solche Texte gelesen und auf ihren Quellenwert für sozial- und kulturgeschichtliche Probleme hin befragt werden. Wenn uns die Texte zu sehr die Stimmung trüben, können wir auch einmal eine Hochzeitspredigt lesen. So oder so müssen Sie allerdings damit klarkommen, daß die Drucke, wie damals üblich, in Frakturschrift gesetzt worden sind.
- Lehrende/r: Michael Sikora