Dieses Seminar beleuchtet die soziale Seite von Namen, die erst seit Kurzem ins Interesse der Sprachwissenschaft gerückt ist. Dabei liegt er Hauptfokus auf Personennamen, jedoch werden wir auch einen Blick auf Tier- und Ortsnamen werfen.
Bei Namen handelt es sich um besondere Zeichen, da sie keine Bedeutung tragen, also semantisch leer sind. Sie erfüllen lediglich die Funktion, sich auf Dinge und Personen in der Welt zu beziehen (vgl. z. B. Nübling et al. 2015: 18). Dennoch kann man Namen neben dieser sogenannten referenziellen Funktion auch eine konnotative Bedeutung zusprechen (vgl. Harnisch 2011: 30; Leys 1979: 72). Sie können beispielsweise positiv besetzt sein und Nähe ausdrücken (Spitznamen, Kosenamen, inoffizielle Ortsnamen) oder Distanz markieren (Spottnamen etc.).
Speziell Personennamen indizieren nicht nur soziale Kategorien wie Geschlecht (Männer- und Frauennamen) und Generation, sondern auch Religion, sozialen Stand, Herkunft und ethnische Zugehörigkeiten. Sie können sowohl prestigehaltig als auch stigmatisiert sein und folglich Diskriminierung und soziale Ungleichheiten auslösen. So hat die schlechtere Bewertung von Schülerinnen und Schülern mit vermeintlichen Unterschichtsnamen wie Kevin oder Chantal auch in die Namenforschung Einzug gefunden (vgl. Harnisch 2011: 37– 38, Kube 2009). Für die USA der 1930er Jahre ist belegt, dass sich amerikanisch klingende Namen positiv auf den beruflichen Erfolg der Namentragenden auswirkten, während irisch, deutsch oder italienisch klingende Namen dagegen einen negativen Effekt hatten (vgl. Goldstein/Stecklov 2016).
Fragestellungen der Sozioonomastik sind z.B.:
- Welche Konnotation haben Rufnamen (= Vornamen)? Welche rechtlichen Vorgaben gibt es bei der Rufnamengebung in Deutschland und in anderen Ländern?
- Wann werden offizielle, wann inoffizielle Namen verwendet? Welche Namen werden zur Anrede von Personen verwendet, welche nur zur Unbeteiligtenreferenz?
- Welche Gründe gibt es dafür, dass der Name einer Person sich im Laufe ihres Lebens ändert? Geschieht dieser Namenwechsel freiwillig oder unfreiwillig? Falls freiwillig, welcher Name wird gewählt und warum?
- Welche Namen sind stigmatisiert und warum? Wie können Namen zu (institutioneller/struktureller) Diskriminierung führen?
- Wie wählen Transpersonen ihren neuen Namen aus? Welchen Prinzipien folgen sie dabei?
- Wie wurden Tiere früher benannt, wie heute? Spiegelt sich darin die Beziehung von Mensch und Tier wider?
- U.v.m.
Der erste Block dieses Seminars (21./22. April 2023) gibt zunächst eine Einführung in die Namenforschung (= Onomastik) als Forschungsfeld und befasst sich mit Namen als sozialen Markern oder Indizes. Hier werden wir uns mit onomastischen Studien befassen, die die soziale Funktion von Namen in den Fokus stellen.
Im Verlauf des Semesters werden Sie selbst kleines empirisches Projekt bearbeiten, aus dem Sie dann eine Hausarbeit/Studienleistung entwickeln können. Diesen Projekten und deren Präsentation widmet sich der zweite Block (10.11. Juni 2023).
Die Struktur als Blockseminar bietet Ihnen die Möglichkeit, Ihre Arbeitseinheiten über das Semester hinweg flexibel einzuteilen. Gleichzeitig erfordert dies ein gutes Zeitmanagement. Ihr eigenes empirisches Projekt werden Sie (alleine oder in Gruppen) selbstständig organisieren. Zwischen den Blocks stehe ich Ihnen jederzeit beratend zur Verfügung.
- Lehrende/r: Theresa Schweden