Im europäischen Mittelalter gab es noch keine „Staaten“, wohl aber geordnete Herrschaft. Man kannte noch keine kodifizierte Verfassung, wohl aber eine strukturierte politische Verfasstheit, in deren Rahmen die herrschaftspolitischen Akteure handelte. Auf dieser Grundlage entstand der lange Prozess einer Staatswerdung. Durch die notwendige, schriftliche Normierung von Herrschaft, Gefolgschaft und sozioökonomischer Ordnung wurde dieser Handlungsrahmen verrechtlicht. Seit dem 12. Jahrhundert entstanden „Grundgesetze“, die wesentliche Belange festhielten, die Rechtsstellung der königlichen Gewalt und ihr Verhältnis zu den fürstlichen wie kirchlichen Kräften, das im Land geltende Recht oder die Regeln des Lehnrechts beschrieben. Schrittweise wurden die verfassungsmäßigen Vorgaben verdichtet und weiterentwickelt. Seit um 1200 und bis 1500 entstanden konsensual und gewohnheitsrechtlich legitimierte, zunehmend durch das gelehrte Recht in Form gebrachte Ordnungen, die als Vorläufer moderner Verfassungen gelten dürfen.
- Lehrende/r: Martin Kintzinger