Seit es rechtliche Regelungen gibt, die übertreten werden können, gibt es Verbrechen. Und mit der Möglichkeit einer Rechtsverletzung entsteht die Kriminalliteratur. Je weiter sich das Recht ausdifferenziert, desto größer werden ihr Potential und das Reservoire historischer Tatbestände. In Anbetracht der vielfältigen Möglichkeiten, Verbrechen zu begehen, überrascht allerdings, wie schnell sich das Genre verfestigt – und trivialisiert, sobald die Figur des Detektivs im 19. Jahrhundert die Bühne der Literaturgeschichte betritt. Es ist ein Anliegen der Vorlesungsreihe, auszuloten, welches erzählerische Potential den Jahrhunderten davor innewohnt. Expert*innen verschiedener Disziplinen – von der Theologie über die Geschichte bis zu den Philologien – widmen sich der attischen Tragödie und biblischen Verbrechen, der mittelalterlichen Rache und Verbrechen auf Hoher See, den archivalischen Prozessakten und Mozarts La clemenza di Tito.

Vorgestellt werden alternative Modelle bei Erzählung und Darstellung von Kriminalität in ganz verschiedenen Gattungen und zwar jeweils unter Einbezug des historisch geltenden rechtlichen Rahmens. Der Schwerpunkt der Vorträge liegt dabei in der deutschsprachigen Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Das Spektrum reicht jedoch darüber hinaus über Frankreich und England, Polen und Russland bis zur transatlantischen Rezeption in Lateinamerika. Die Referent*innen stehen im Anschluss an die Vorlesung für Diskussionen zur Verfügung.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2022/23