Obwohl sie ursprünglich für die Interaktion mit Freund*innen und Bekannten entwickelt wurden, werden Social Media-Plattformen wie Facebook, Twitter, Instagram, TikTok und WhatsApp heute von vielen Nutzer*innen verstärkt auch zur Rezeption von journalistischen Nachrichteninhalten genutzt: In 2022 gaben bereits 32 Prozent der Internetnutzer in Deutschland an, Soziale Medien regelmäßig als Nachrichtenquelle zu verwenden. Für 11 Prozent der Befragten sind die Sozialen Medien sogar die hauptsächliche und für 5 Prozent die einzige Nachrichtenquelle (Hölig et al., 2022; Newman et al., 2022). In den jüngeren Altersgruppen liegen diese Zahlen noch deutlich höher: So liegt die Zahl der 18-24-jährigen, die sich hauptsächlich auf Soziale Medien verlassen mittlerweile bei 39 Prozent und ganze 18 Prozent geben die Sozialen Medien gar als einzige Nachrichtenquelle an.
Die journalistischen Akteure haben die Bedeutung der Sozialen Medien in Bezug auf Nachrichten mittlerweile erkannt: Über die Sozialen Medien kommt ein großer Teil des Traffics auf die eigene Webseite und kaum ein Nachrichtenanbieter kommt heute noch ohne eigene Profilseite, Like-Buttons und spezialisierte Social Media-Redakteur*innen aus (Ju et al., 2014; Lischka & Werning, 2017; Neuberger et al., 2019).
Auch die kommunikationswissenschaftliche Forschung setzt sich in den vergangenen Jahren zunehmend mit dem Thema journalistischer Nachrichten in den Sozialen Medien auseinander. Die behandelten Fragestellungen sind dabei vielfältig: Welche Nachrichten werden von journalistischen und sonstigen Akteuren besonders stark in den Sozialen Medien verbreitet? (z.B. Lamot, 2022; Pak, 2019; Trilling et al., 2017; Wehden, 2022) Wer entscheidet, welche Nachrichten am Ende im Newsfeed zu sehen sind (journalistische Gatekeeper, die Nutzer*innen selbst oder Computeralgorithmen)? (z.B. Neuberger, 2009; Thurman et al., 2019; Welbers & Opgenhaffen, 2018) Wie unterscheidet sich das journalistische Angebot in den Sozialen Medien von anderen Medienarten und wie bewerten die Rezipient*innen dieses Angebot? (z.B. Eisenegger et al., 2015; Karnowski et al., 2018, 2021; Pak, 2019; Wehden, 2022) Wie werden die Sozialen Medien in bestehende journalistische Strukturen eingebunden? (z.B. Ju et al., 2014) Welche Medienwirkungen lösen Nachrichten in den Sozialen Medien aus? (z.B. Boulianne, 2015; Holt et al., 2013; Müller et al., 2016) Wie interagieren Nutzer*innen mit Nachrichteninhalten in den Sozialen Medien? (z.B. Emde & Saß, 2016) Welche Motivation treibt die Nutzer*innen an, Nachrichteninhalte in den Sozialen Medien zu rezipieren? (Choi, 2016) Diese Fragen lassen sich auch auf einzelne Nachrichtenthemen fokussieren, darunter etwa Fake News, den Klimawandel, den Krieg in der Ukraine oder die Corona-Pandemie. Fragen wie diese zur allgemeinen oder themenspezifischen Nachrichtenberichterstattung sollen auch im Mittelpunkt dieses Forschungsseminars stehen.
Nach einer kurzen Einführung in die theoretischen Grundlagen und einige ausgewählte empirische Studienergebnisse zum Thema, sollen die Studierenden in Kleingruppen eigene Forschungsprojekte entwickeln. Diese sollen anschließend als kleine, quantitative Studien in Form entweder einer standardisierten Online-Befragung, einer Inhaltsanalyse von Social Media-Inhalten oder einer Online-Vignettenstudie (Quasi-Experiment) umgesetzt werden. Neben forschungspraktischen Kompetenzen lernen die Teilnehmenden dabei, ihre Entscheidungen nachvollziehbar zu begründen. Im Laufe des Seminars werden alle Schritte des empirischen Forschungsprozesses durchlaufen: Von der Formulierung einer Forschungsfrage, über die theoretische Fundierung und Ableitung von Hypothesen, hin zur Planung, Durchführung, Auswertung und Dokumentation der empirischen Studie.
- Lehrende/r: Lars-Ole Wehden