Der Erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 firmiert prominent als die angebliche „Urkatastrophe“ des zwanzigsten Jahrhunderts. Das vierjährige Töten und Getötetwerden an Ost- und Westfront, in Teilen auch in den Kolonien der beteiligten Imperien, läutete etwa für Eric Hobsbawm das „Age of Extremes“ ein. Was oftmals unterschlagen wird, ist, dass die Gewaltwelle, die das Gesicht Europas grundlegend veränderte, weder 1914 begann noch 1918 endete. Vor dem Ausbruch des „Great War“ tobten bereits Kriege in Libyen und auf dem Balkan. Für viele Gesellschaften endete die Gewalt auch nicht mit dem Waffenstillstand von 1918: Brutale Folge- und Bürgerkriege erschütterte Ost- und Südosteuropa sowie Kleinasien bis 1923, in Deutschland folgten auf den Waffenstillstand eine Revolution, Bürgerkrieg, terroristische Anschläge, die Ruhrbesetzung und mehrere Putschversuche, in Irland ein Unabhängigkeits- und ein Bürgerkrieg. Italien erlebte mit dem Biennio Rosso und dem Biennio Nero vier Jahre politischer Gewalt, die in den Aufstieg Benito Mussolinis mündeten.
Das Proseminar hierzu hat drei Ziele: Erstens soll es die Jahre der Gewalt in Europa von 1911 bis 1923 als eine europaweite Transformationsphase untersuchen. Zweitens soll anhand dieser Periode diskutiert werden, wie Kriegs- und politische Gewalt moderne Gesellschaften prägen. Drittens werden den Studierenden die Grundlagen geschichtswissenschaftlichen Arbeitens und Denkens vermittelt.
- Lehrende/r: Kevin Lenk