Im Seminar soll die grundsätzliche Frage, wie sich Vorstellungen und Leitbilder von Erziehung zu tatsächlichen Erziehungspraktiken verhalten, am Beispiel der Epoche nationalsozialistischer Herrschaft in Deutschland zwischen 1933 und 1945 behandelt werden. Gerade bei wissenschaftlichen und lebensweltlichen Urteilen über nationalsozialistischer Erziehung dürfen die Absichten und Programme von nationalsozialistischer Ideologie oder Erziehungstheorie nicht mit der Alltagswirklichkeit von Lernen und pädagogischem Handeln unter dem NS-Regime gleichgesetzt und verwechselt werden.

Das NS-System verstand sich selbst als „Erziehungsstaat“, der in umfassender Weise viele gesellschaftliche Handlungsfelder und Institutionen seinem einheitlichen Erziehungsanspruch unterworfen hat. Deshalb werden in der Lehrveranstaltung sowohl schulische (z.B. Lehrpläne, Unterrichtsformen, Lehrer-Schüler-Beziehungen) als auch außerschulische Erziehungsinstitutionen (politische und militärische Organisationen, Hitlerjugend, Bund deutscher Mädel) in ihrem Verhältnis zueinander thematisiert. Ideengeschichtliche Voraussetzungen und Traditionen der NS-Erziehung sollen ebenso berücksichtigt werden wie ihre Folgen und Wirkungen.

Diese Fragestellungen werden in der Veranstaltung sowohl an Hand von ausgewählten Quellen als auch mit Hilfe von bildungsgeschichtlichen Analysen untersucht. Gerahmt wird das Seminarthema von Deutungen der Theorie und Praxis von NS-Erziehung als Weg zu einer aktuell verantwortbaren Urteilsbildung über die NS-Vergangenheit in der deutschen Nachkriegszeit. Es soll im Seminar immer wieder methodisch abgewogen werden, welche erziehungswissenschaftlichen Schlüsse aus den Quellen, aus biographischen Erinnerungen und aus den Deutungen der Geschichtsschreibung über nationalsozialistische Erziehung als Kontrastfolie zu einer verantwortbaren Pädagogik der Mündigkeit gezogen werden können und müssen.

Zur Vor- und Nachbereitung der einzelnen Vorlesungsthemen werden für die teilnehmenden Studierenden in einem Reader und im Learnweb Texte und Quellen zur Verfügung gestellt werden.

Studienleistung und Prüfungsleistung: Die Studien- und Prüfungsleistungen in dieser Veranstaltung werden PO-konform angeboten. Welche Leistungen genau zu erbringen sind, wird in der ersten Sitzung bekannt gegeben.

Prüfungsleistung: Als benotete Modulabschlussprüfung (MAP) wird in der Regel eine schriftliche Präsentation angefertigt; sie besteht aus einem Referat mit Folienunterstützung und einer zehnseitigen Ausarbeitung. Wenn alle Referatthemen für die einzelnen Sitzungen vergeben sind, können auch mündliche Prüfungen gewählt werden.

Semester: SoSe 2022