Geschichte ist omnipräsent und zugleich oft heftig umstritten. Geschichtskultur ist daher keine monolithische Einheit, sondern als „praktisch wirksame Artikulation von Geschichtsbewußtsein im Leben einer Gesellschaft” (Rüsen) Ausdruck heterogener gesellschaftlicher Orientierungs- und Identitätsbedürfnisse. Fortwährend konfrontieren uns verschiedene geschichtskulturelle Akteurinnen und Akteure mit Historischem, stellen konkurrierende historische Deutungen zur Diskussion und tragen so dazu bei, dass unsere Geschichtsvorstellungen sich mehr oder weniger stark verändern. Dieser Transformationsprozess betrifft nicht nur bestimmte historische Themen (z.B. den Umgang mit NS- und Kolonialvergangenheiten), Konzepte und Kategorien (z.B. Nation), sondern nicht zuletzt das Selbstverständnis der Geschichte als akademischer Disziplin im Spannungsfeld von Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit. Geschichtskultur kann man einerseits verstehen als ein Ensemble kultureller Praktiken des individuellen und gesellschaftlichen Umgangs mit Vergangenheit. Andererseits spielen Gegenwart und Zukunft eine zentrale Rolle, denn Geschichtskultur ist zugleich ein diskursives soziales Feld, in dem unterschiedliche Akteur:innen gegenwartsrelevante historische Identitätsangebote machen, Zukunftsentwürfe aushandeln und Geschichte als Bedeutung so immer wieder neu erzeugen. Das zeigt sich nicht zuletzt in geschichtskulturellen Kontroversen, in denen verschiedene historische Orientierungsbedürfnisse und Deutungsmuster diskutiert sowie hinsichtlich ihrer historischen Plausibilität reflektiert werden. In der Ringvorlesung werden Vortragende aus dem In- und Ausland ausgewählte Kontroversen thematisieren, die das geschichtskulturelle Feld in unserer von vielfältigen Transformationsprozessen geprägten Gegenwart bestimmen.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2022/23