Meinungen darüber, inwiefern sich soziologische Theorien für emotionale Stimmungen als Teil gesellschaftlicher Realität interessiert haben, mögen auseinandergehen. Inzwischen ist aber das gesteigerte Interesse an diesen physio-psychischen Kräften nicht zu übersehen, was sich nicht zuletzt in diversen Ansätzen wie "affective turn" oder "body turn" niederschlägt. Gleichzeitig geben Phänomene von Wut und Empörung sowie Hass bzw. Ressentiment, die sich in unterschiedlichen Bewegungen und Milieus unserer Gegenwart, insbesondere aber in den Plattformen sozialer Medien in Form von "shitstorms" beobachten lassen, dem wissenschaftlichen Interesse an Affekten und Emotionen besonderen Auftrieb. Weit entfernt davon, bloß stumme Regungen des inneren Seelenlebens zu sein, werden Affekte hier auf ihre soziale Bedeutung hin thematisiert. Das Seminar befasst sich mit der Thematik nicht primär in Form einer abstrakten Theoriearbeit. Vielmehr geht sie anhand der Entwicklungen in den Bereichen Ökonomie, Kultur und Politik der soziologischen Relevanz der Affekte nach. Ob digitalisierte Konsumwelt in der Plattformökonomie, die wesentlich auf der Grundlage der "Affektbewirtschaftung" funktioniert, oder ressentimentgetragene Bewegungen populistischen Zuschnitts, und überhaupt die hohe Konjunktur der identitätsbezogenen Politikansätze, die in den sozialen Medien ein besonderes Dispositiv für eine Empöerungskommunikation finden? Was bedeutet die affektive Relationalität sozialer Beziehungen für die Gegenwartsgesellschaft, inbesondere für ihre demokratische Verfasstheit, sind ihre Effekte nur in destruktiver Form zu verstehen? Affekte erweisen sich in jedem Fall als hochgradig relevant für soziologische Diagnosen.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2021/22