„Kein Mensch käme in den USA auf den Gedanken, von amerikanisch-jüdischer Literatur zu sprechen wie hierzulande von deutsch-jüdischer Literatur“ – so beschrieb jüngst der Literaturwissenschaftler Thomas Sparr die markant unterschiedlichen Entstehungs- und Rezeptionsbedingungen jüdischer Literaturen in Deutschland und in den Vereinigten Staaten. Der Normalität der Jewishness als Teil der amerikanischen Kultur steht ihre besondere – und als solche ausgewiesene – Stellung in der deutschen Gesellschaft gegenüber, und natürlich hat dies historische Gründe, namentlich das Menschheitsverbrechen der Shoah. Die Betrachtung der jüdischen Literatur nach 1945 im transatlantischen Vergleich ist insofern ertragreich, als sie erkennbar werden lässt, unter welchen exzentrischen Bedingungen jüdische Autorinnen und Autoren im Land der Täter schreiben – und, andersherum, was jüdisches Schreibens ausmacht innerhalb einer Kultur, in der man nicht eigens dazusagen muss, dass es sich um jüdisches Schreiben handelt (und in der überdies basale Kenntnisse des Jüdischen vorausgesetzt werden können).

Die Vorlesung will einen historischen und systematischen Überblick auf die divergierenden Tendenzen jüdischer Literaturen diesseits und jenseits des Atlantiks geben, beginnend mit der unmittelbaren Nachkriegszeit bis hinein in die unmittelbare Gegenwart, namentlich von Saul Bellow und Paul Celan über Philip Roth und Ruth Klüger bis zu Maxim Biller, Nicole Krauss und Dana von Suffrin.

Das Lektüreprogramm wird rechtzeitig vor Vorlesungsbeginn bekannt gewesen. Orientierung und Anregung bieten Jules Chametzsky u. a. (Hg.): Jewish American Literature. A Norton Anthology, New York / London 2001, sowie Hans Otto Horch (Hg.): Handbuch der deutsch-jüdischen Literatur, Berlin / Boston 2016.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WT 2021/22