Ein gleichermaßen anspruchsvolles wie liberales, ironisches wie kosmopolitisches Magazin „für das westliche Deutschland” – dies stand den Publizisten, Intellektuellen und Schriftstellern Hans Magnus Enzensberger und Gaston Salvatore im Sinn, als sie Ende der siebziger Jahre ihr Konzept einer neu zu gründenden Zeitschrift entwarfen. Ihr Vorbild war das Leitorgan des intellektuellen Amerika, also der „New Yorker”. Der Titel des im Oktober 1980 erstmals erschienenen Magazins bringt seine programmatische Westbindung auf den Punkt: „TransAtlantik”.

Auch wenn Enzensberger und Salvatore bereits nach zwei Jahren ihre Mitarbeit an der Zeitschrift beendeten, ja das Projekt sogar für gescheitert erklärten, handelt es sich um eines der aufregendsten und aussagekräftigsten publizistischen Unternehmungen der alten Bundesrepublik: Nach den ideologischen Kämpfen der sechziger und siebziger Jahre, die mit besonderer Intensität im Kursbuch ausgefochten wurden (und zwar unter federführender Beteiligung von Enzensberger und Salvatore), sollte "TransAtlantik" ein Medium der offenen Gesellschaft sein. Geprägt war das Vorhaben durch einen experimentellen Möglichkeitssinn: die Zeitschrift als spielerischer Selbstentwurf eines bundesrepublikanischen intellektuellen Milieus, das, nach einem Zeitalter der Kritik und der Negation, versuchsweise ‚Ja‘ sagt zur westlichen Moderne. Dass dieses Vorhaben in der BRD ohne Erfolg blieb und nach zehn Jahren endgültig aufgegeben wurde, ist vor diesem Hintergrund, vielleicht, bezeichnend.

Das forschungsorientierte Seminar wird die Zeitschrift „TransAtlantik” in dreierlei Perspektiven untersuchen: 1. hinsichtlich der ursprünglichen Konzeption durch Enzensberger und Salvatore (unter Hinzuziehung der entsprechenden Archivdokumente); 2. bezogen auf die Realisation der Zeitschrift als Zeitschrift, also nicht allein unter Berücksichtigung der Inhalte, sondern auch der Medialität und Materialität des Objekts, bis hin zu den Werbeanzeigen; 3. im Hinblick auf die Publizistik, die Debattenkultur und die Modernediskussion in den achtziger Jahren. Ein besonderer Schwerpunkt wird dabei auf München liegen, in dessen intellektueller und publizistischer Szene – insbesondere im Umfeld der Bar von Charles Schumann – das Zeitschriftenprojekt entwickelt wurde.

Literatur zur vorbereitenden Einführung in das Thema wird rechtzeitig per Learnweb zur Verfügung gestellt.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2021/22