Vegetarier und Tierbewegte wollen die Welt verbessern, indem sie Tiere schützen. Hierzu wollen sie Leid von Tieren vermindern (jedenfalls sofern es unnötig und menschengemacht ist). Hierzu wollen sie das Verhältnis zwischen Menschen und Tieren dadurch revolutionieren, dass den Menschenrechten gleichartige Tierrechte korrespondieren. Aber auch Menschen sind Tiere und der tierethische Egalitarismus ignoriert, dass Menschen besondere Tiere sind. Er nivelliert die moralische Relevanz der Artengrenze zwischen Menschen und anderen Tieren. Das starke Argument eines Peter Singer für den artumfassenden Egalitarismus und gegen den „Speziesismus“ der moralischen Tradition ist jedoch selber speziesistisch. Die Grenzen der traditionellen Tierethik müssen in der ganzen Tierethik dadurch transzendiert werden, dass (a) der tierethische Individualismus überwunden wird, (b) der Fehlschluss von der gleichen Berechtigung auf die Gleichbehandlung vermieden wird und (c) die metaphysischen Defizite der traditionellen Tierethik überwunden werden. Die ganze Tierethik beginnt daher bei einer humanen Sozialphilosophie (auch Menschen leiden tierisch), bei Tierarten (Arten sind wertvoll, leiden aber nicht) und Ökosystemen (denn menschliche und nicht-menschliche Tierarten und Tierindividuen können moralisch nur gedeutet werden in ihrem Bezug zur Umwelt). Die Forderungen der ganzen Tierethik sollen in diesem Seminar methodisch aus der Kritik der traditionellen Tierethik gewonnen werden. Tierethik wird so zur philosophisch reflektierten „Sorge für das gemeinsame Haus“.
- Lehrende/r: Andreas Vieth