Guru Nanak (1469-1539) und die in seiner Nachfolge entstandene Religionsgemeinschaft der Sikhs (sikhi) sind in ihrer Lehre und historischen Entwicklung engstens mit den Bedingungen ihres nordindischen Herkunftslandes – dem Pañjab (heutiges Pakistan und Indien) – verbunden. In einem ersten Teil des Seminars sollen daher die religionsgeschichtlichen Voraussetzungen des Sikhismus umfassend geklärt werden. Dabei werden neben den hinduistischen und sufistischen Originalquellen auch die kritischen Kommentare der Sikh-Gurus zur Lektüre gestellt:

  1. Zwischen Polytheismus, Henotheismus, Monotheismus und Monismus: Vorstellungen letzter Wirklichkeit in den Veden (saṃhitas und upaniṣads)
  2. Ist mein Selbst das Selbst Gottes? Die brahman-atman-Lehre in Saṅkaras Advaita‑, Ramanujas Visiṣṭadvaita- und Madhvas Dvaita-Vedanta
  3. Gott und Gottesliebe (saguṇa-bhakti) in der Bhagavadgita und im Bhagavata-Puraṇa
  4. Die Liebe zum formlosen Gott (nirguṇa-bhakti): Kabir und die Sant-Bewegung
  5. Islamische Mystik (taṣawwuf) in Indien: Der Cistiya-Orden (ṭariqa) und Shaikh Baba Farid
  6. Das Mogulreich und islamisch-hinduistische Synthesen: Akbars „Gottesreligion“ (din-i ilahi) und Dara Sikohs „Zusammenfluss zweier Meere“ (majjma‘ al-bahrain)
  7. Guru Nanaks Auseinandersetzung mit den Kaṇphaṭa-/Nath-Yogis: Das Gorakṣasataka und Guru Nanaks Siddh Goṣṭ

Trotz seiner weltweiten Verbreitung ist über den Sikhismus in den Diaspora-Ländern kaum etwas bekannt. Von den weltweit über 20 Millionen Sikhs leben derzeit schätzungsweise allein 25000 in Deutschland. In einem zweiten Teil bietet das Seminar einen einführenden Überblick über die verschiedenen Phasen und Formen der Sikh-Religion. Dabei soll neben den geistesgeschichtlichen Zusammenhängen vor allem die religionsphilosophische Dimension der sikhistischen Tradition verdeutlicht werden:

  1. Guru Nanak: Leben und Lehre nach den janamsakhis und dem Adi Granth
  2. Die Heilige Schrift der Sikhs: Adi Granth (Sri Guru Granth Sahib Ji)
  3. Guru Gobind Singhs Dasam Granth und die Gründung der Khalsa
  4. Wir sind keine Hindus“: Bhai Kahn Singh Nabhas Ham Hindu Nahim (1898)
  5. Der Sikh-Verhaltenskodex: Sikkh-Rahit-Maryada (1950)

Gearbeitet wird vor allem mit Quellentexten in deutscher und englischer Übersetzung, die zu Beginn des Seminars zur Verfügung gestellt werden. Geplant ist zudem eine Exkursion zum sikhistischen Andachts- und Gemeinschaftszentrum (gurdvara, wörtlich „Tor zum Guru“) in Essen.

 

 

Kurs im HIS-LSF

Semester: WT 2019/20