Globale Normen beeinflussen politisches und soziales Handeln in zahlreichen Bereichen wie etwa der Umweltpolitik, in sicherheitspolitischen und menschenrechtlichen Fragen. Innerhalb der politikwissenschaftlichen Teildisziplin der Internationalen Beziehungen (IB) hat insbesondere die konstruktivistische Normenforschung im Anschluss an die wegweisenden Arbeiten von etwa Finnemore und Sikkink (1998) neue Perspektiven eröffnet und wird inzwischen auch vom ‚IB-Mainstream‘ als zentrale Forschungsrichtung betrachtet (siehe z.B. Björkdahl 2002). Nach wie vor zeichnet sich das Forschungsfeld allerdings durch die Entwicklung neuer Erklärungsmuster zur Entstehung, Bewegung und schließlich Umsetzung von globalen Normen aus. Nicht zuletzt werden dabei auch immer mehr kritische Stimmen, etwa aus poststrukturalistischer oder postkolonialer Perspektive, hörbar. Insbesondere die lineare, dichotome Ausrichtung der klassischen Ansätze, die zwischen Sendern und Empfängern von Normen unterscheidet wird dabei oftmals kritisiert (siehe übersichtsartig u.a. Engelkamp und Glaab 2015). Stattdessen nehmen Ansätze wie etwa der der Normübersetzung auch das performative Handeln mit und an Normen in den Blick und fragen damit, wie aus Worten schließlich soziale Praxis, also Taten werden.

Der Lektürekurs möchte in einige dieser aktuellen Debatten einführen und die Erklärungsmodelle z.B. zur Übersetzung (u.a. Susanne Zwingel) oder auch zur Contestation (Antje Wiener) von Normen auf ihre analytischen Stärken und Schwächen hin hinterfragen. Der Kurs liefert dabei einen Einstieg in die Entwicklung der kritisch-konstruktivistischen Normenforschung als solche, als auch die Möglichkeit Debatten innerhalb der IB und der Normenforschung anhand aktueller Publikationen nachzuvollziehen. Dabei werden theoretische Kenntnisse der konstruktivistischen IB-Theorie(n) vertieft und zugleich empirische Anwendungsmöglichkeiten und -schwierigkeiten des Normbegriffs in verschiedenen Politikfeldern (etwa Umweltpolitik, Menschenrechtspolitik) erarbeitet.

Der Kurs richtet sich insbesondere an Studierende, die Interesse an einer tiefergehenden theoretischen Auseinandersetzung mit kritisch-konstruktivistischen Ansätzen haben und idealerweise bereits Grundkenntnisse in den IB, etwa durch Besuch der Einführungsvorlesung besitzen. Die Bereitschaft englischsprachige Texte zu lesen und für die Seminarsitzungen vorzubereiten wird vorausgesetzt. Als Studienleistung ist die Abgabe von drei seminarbegleitenden Essays vorgesehen. Die Prüfungsleistung besteht in einer Hausarbeit (4500-5000 W.), die die eigenen Essays idealerweise integriert und übergreifend diskutiert.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2019/20