Der Soziologe Pierre Bourdieu prägte mit seinem Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft (auf französisch zuerst 1979 erschien) eine materialistische Kritik der ästhetischen Erfahrung, die auf die sozialen Differenzen der Kunstproduzent*innen und –Empfänger*innen aufmerksam machte und von Vielen als Demystifizierung der Autonomie der Kunst attackiert wurde. Der Philosoph Jacques Rancière, der in der gegenwärtigen ästhetischen Theorie breit rezipiert wird und mit Bourdieu ein jahrelanges Arbeitsverhältnis pflegte, kritisierte insbesondere am Bourdieuschen Ansatz, das Potenzial der ästhetischen Erfahrung, soziale Ungleichheiten zu suspendieren und Gleichheit performativ herzustellen, zu missachten (u.a. in Der Philosoph und seine Armen, auf französisch zuerst 1983 erschien). Inwiefern können aber beide Positionen in ihrer gegenseitigen Kritik und Bereicherung ein emanzipatorisches ästhetisches Modell liefern, das sich nicht auf dem Kunstbereich einzig beschränkt, sondern auf das soziale Leben insgesamt ausbreitet? Ausgehend aus der ursprünglichen Debatte und aus heutigen Fortführungen ähnlicher Positionen widmet sich das Seminar der vergleichenden Analyse ausgewählter zentraler ästhetischer Schriften von Bourdieu und Rancière.
Empfohlene einführende Literatur: J. Kastner/R. Sonderegger (Hg.)(2014): Pierre Bourdieu und Jacques Rancière. Emanzipatorische Praxis denken. Wien/Berlin: Turia&Kant.
- Lehrende/r: Stefania Maffeis