J. Wippermann
094912 Die französische Renaissance: Literatur, Kunst und Gesellschaft im
Frankreich des 16. Jahrhunderts
Mi 14-16 Raum: BA 020 Beginn: 10.10.2018
Das geschriebene Wort erlebt in der heutigen Zeit eine Krise noch nicht absehbaren Ausmaßes.
Durch Technisierung und Digitalisierung ist es ein beliebiges Gut geworden, das zu jeder
Zeit und an jedem Ort in Bruchteilen von Sekunden ins Leben gerufen und im gesamten
Raum verbreitet werden kann. Die unbegrenzte Verfügbarkeit des geschriebenen Wortes
verführt zu seiner politischen Instrumentalisierung, was sich autokratische Regime und Populisten
in der ganzen Welt zu eigen machen.
Die Ursprünge der modernen Krisengeschichte des Wortes liegen in der Epoche der französischen
Renaissance (etwa 1494-1598). An ihrem Beginn steht ein regelrechter Kult des geschriebenen
Wortes, der sich in der Erschließung des antiken Schrifttums durch Humanisten
wie Erasmus von Rotterdam (1466-1536) und Guillaume Budé (1467-1540) entlädt. Neue
Darstellungsmöglichkeiten des Wortes wie der um 1450 erfundene Buchdruck beschleunigen
die Verbreitung des humanistischen Wissens, rufen jedoch ebenfalls das Königtum und seine
institutionellen Vertreter auf den Plan, die im gedruckten Wort ein Medium dynastischer
und staatlich-politischer Repräsentation erkennen. Die politische Indienstnahme der Sprache
findet ihren Höhepunkt zur Zeit der Religionskriege (ab 1562), im Zuge derer das gedruckte
Wort zu einem Spielball religiös aufgeladener Konflikte wird.
Allen Zwängen von staatlicher Zensur und politisch-religiöser Indienstnahme zum Trotz denken
Dichter wie Pierre de Ronsard (1524-1585) und Joachim du Bellay (1522-1560), Begründer
der Dichtergruppe der Pléiade (um 1549), Sprache und Schrift als Räume künstlerischer
Freiheit, in denen sich dichterische Phantasie und Subjektivität entfalten können. In ihrer
Poesie, etwa der Odendichtung Ronsards (Les Quatre Premiers Livres des Odes, 1550)
oder den Sonettzyklen du Bellays (Les Regrets, 1558), setzen sie sich zwar mit den politischen
und gesellschaftlichen Bedingungen ihres Schreibens auseinander, betonen jedoch
zugleich die Unabhängigkeit ihrer Dichtung, die nicht in einem mimetisch-abbildenden Verhältnis
zur Welt steht, sondern eine künstlerische Schöpfung eigener Art ist. Quelle des Dichtens
ist für Ronsard und du Bellay vor allem die Beschäftigung mit der antiken und italienischen
Dichtung, deren Autoren (z. Bsp.: Pindar, Horaz, Petrarca) sowohl imitiert als auch
übertroffen werden sollen.
Zur Anschaffung empfohlen wird eine Taschenbuchausgabe der Amours Pierre de Ronsards
(de Ronsard, Pierre, Amours. Hrsg. von André Gendre, Paris, Livre de Poche, 1993.) und
der Antiquités de Rome Joachim du Bellays (du Bellay, Joachim, Les Regrets. Les Antiquités
de Rome. Le Songe. Hrsg. von François Roudaut, Paris, Livre de Poche, 2002.).
Die Anmeldung erfolgt in der ersten Sitzung.
- Lehrende/r: Jonas Wippermann