Bekanntermaßen ist die soziale Ungleichheit in keiner Weltregion derart ausgeprägt wie in Lateinamerika, wobei die eindrucksvolle rezente Studie von Walter Scheidel (The Great Leveler), welcher Ungleichheit in einer transhistorischen Perspektive untersucht, nahelegt, dass wenig Hoffnung besteht, dass sich an dieser Situation in Kürze etwas Grundlegendes ändern könnte. Eine Folge dieses Auseinanderdriftens der Gesellschaft, das auch in Europa immer stärker zu beobachten ist, ist die Etablierung von „gated communities“: Siedlungen, die sich nicht nur räumlich hermetisch von den sie umgebenden Nationalstaaten abgrenzen, sondern auch Rechte und Verantwortungen dieser Staaten übernehmen (wollen). Dies ist ein Beispiel von „postnationalen“ Tendenzen, also Entwicklungen, die die etablierten Staatsformen zunehmend in Frage stellen und die speziell in Lateinamerika massiv zu beobachten sind. Diese Tendenzen wurden nicht zuletzt von lateinamerikanischen Regisseuren registriert und in Filmen thematisiert, die auch diesseits des Atlantiks ein breites Echo fanden (man denke etwa an El secreto de sus ojos oder Relatos salvajes, die das mit den skizzierten Entwicklungen eng verbundene Thema der Selbstjustiz behandeln).

In unserem Seminar sollen einige dieser Filme näher besprochen werden, wobei sich der Kurs auch als eine Einführung in die Filmanalyse versteht, weshalb Instrumente eben dieser vorgestellt und diskutiert werden sollen und die konkrete Arbeit an den Filmen breiten Raum einnehmen wird. Dabei sollen der Frage nach den Möglichkeiten der kritischen Auseinandersetzung mit aktuellen sozialen Themen im Film und der Frage des „Realismus“ in der Kunst besondere Bedeutung zukommen.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2018/19