„Der Nutzen“, so diagnostiziert Schiller in seinen Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen, ist das „große Idol der Zeit, dem alle Kräfte frohnen und alle Talente huldigen sollen“. Beruhe die Fixierung auf materielle Güter bei den Ärmsten zumindest noch auf dem Bedürfnis nach Existenzsicherung, so sei sie in den „zivilisierten Klassen“ Ausdruck einer zutiefst verdorbenen Kultur des Egoismus. Die Diagnose ist nichts Ungewöhnliches (und wurde bis heute immer wieder gestellt), doch die Kur, die Schiller der Gesellschaft verordnet, ist aufsehenerregend: Kein revolutionärer Umsturz und auch nicht Askese, Verzicht und moralische Umkehr sollen uns retten. Sie würden aus Schillers Sicht lediglich die eine Art von Einseitigkeit durch eine andere ersetzen. Vielmehr haben wir Schiller zufolge nur dann die Chance auf ein sowohl glückliches wie auch freies Leben, wenn es gelingt, die Schönheit in allen ihren Spielarten in den Mittelpunkt des individuellen wie auch des gesellschaftlichen Lebens und zuletzt auch des Staats zu rücken. Denn das Schöne ist der Gegenstand des Spieltriebs, des dritten und wichtigsten menschlichen Triebs, der zwischen Sinnlichkeit und Vernunft vermittelt und uns dadurch erlaubt, alle unsere Seiten zu entfalten. Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt: So lautet die vielleicht berühmteste These aus Schillers Briefen. Schillers Text ist schon für sich genommen sprachlich anspruchsvoll; darüber hinaus greift er auf andere, nicht minder schwierige Texte zurück (vor allem auf diejenigen Kants), die im Seminar nach Bedarf ergänzend herangezogen werden. Die Bereitschaft, sich geduldig durch schwierige Sätze zu ackern, ist daher für eine gewinnbringende Teilnahme unerlässlich.
- Lehrende/r: Sibille Mischer
- Lehrende/r: Ansgar Seide