"Ewige Jugendlichkeit" beschied Max Weber den historischen Wissenschaften. Der Strom der Zeiten führe ihnen unentwegt neue Fragestellungen und Perspektiven zu, lasse sie in jeder Generation in neuem Gewand erstrahlen. Diesem historischen 'Wechselbad' sieht sich auch die Epoche des Mittelalters ausgesetzt. Die Übung wird sich daher mit dem Wandel der Mittelalterbilder zwischen 18. Jahrhundert und Gegenwart befassen und dabei sowohl Hauptwerke der Historiographie als auch Kunst, Film und Theater mit einbeziehen. Sie wird zudem einen Blick auf die Praktiken der Mittelalter-Inszenierung in Museum, Spiel und Festgeschehen und ihren Bezug zur zeitspezifischen Mittelalterforschung richten.
- Lehrende/r: Jan Keupp
Während der politische, ökonomische und kulturelle Schwerpunkt der europäischen Geschichte in der Antike im Mittelmeerraum lag, verlagerte er sich im frühen Mittelalter in den Norden des Kontinents. Mit der karolingischen Expansion begann erneut eine Reichsbildung, die nicht nur politisch an die antike Geschichte anzuknüpfen versuchte, sondern auch auf kulturellem Gebiet. Erst im Hochmittelalter setzte sich die lateineuropäische Expansion verstärkt fort, indem Nord- und Ostmitteleuropa christianisiert wurden; dies ging einher mit dem sogenannten Landesausbau jenseits der Elbe, aber auch mit einer Welle von Städtegründungen. Im Zuge der Kreuzzüge expandierten die lateineuropäischen Herrschaften dann auch in den Nahen Osten, später auch in den byzantinischen Raum. Ganz am Ende des Mittelalters schließlich begann die Expansion der iberischen Königreiche, zunächst in Richtung Kanarische Inseln, später auch nach Westafrika. Das Seminar fragt nach Ursachen, Akteuren, Begleitumständen und Folgen der europäischen Expansion im Mittelalter und wagt abschließend einen Blick auf das Problem, ob schon während dieser Epoche die Grundlagen für den „Aufstieg“ Europas während der Frühen Neuzeit und der Moderne gelegt wurden.
- Lehrende/r: Wolfram Drews
Krönungen, Küsse, Kniefälle - in großer Breite überliefern die Quellenberichte und Bildzeugnisse des Mittelalters symbolische Akte mit den zugehörigen Gesten und materiellen Requisiten. Zentrale politische Rituale wie die Königserhebung, aber auch zahllose Rechtshandlungen und Glaubenspraktiken waren in das Gewand gut verständlicher Zeichen und Symbole gehüllt. Sie dienten den Zeitgenossen als verlässliche Orientierungsmarken. Indem sie soziale und politische Ordnung sichtbar machten, sorgten sie zugleich für Stabilität und Verlässlichkeit im alltäglichen Miteinander. Diesen fremden Code zeichenhafter Mitteilungen in Teilen zu entschlüsseln, wird die Aufgabe des Proseminars sein. Exemplarisch soll dabei in zentrale Aspekte der Verfassungs-, Gesellschafts- und Kulturgeschichte des Mittelalters eingeführt werden.
- Lehrende/r: Jan Keupp
Historisches Lernen im Sachunterricht findet lt. Richtlinien und Lehrplänen primär im Feld: Zeit und Kultur statt. Aber auch die anderen Perspektiven des Sachunterrichts lassen sich mit historischen Fragestellungen ergänzen. Das Seminar führt in die wesentlichen Bereiche der Geschichtswissenschaft (Theorie, Empirie, Pragmatik) überblicksartig ein. Anschließend werden historische Arbeitstechniken an konkreten Themen vertieft, die für den Sachunterricht von Bedeutung sind.
- Lehrende/r: Oliver Näpel
"Wisse, Marschall Gerd Morrien, dass ich (...) Dein Feind sein will..." Duzende Schreiben mit gleichartiger Grußadresse trafen im Verlauf des Jahres 1454 auf der Wasserburg Lüdinghausen südlich von Münster ein. Die Briefsteller drohten dem Burgherrn darin mannigfaches Ungemach an, bekundeten aber zugleich, durch den fristgerecht übersandten Fehdebrief ihre Ehre gewahrt zu haben. Gewalthandeln wurde damit in einen rechtlichen Rahmen gestellt und einem spezifischen Regelwerk unterworfen: Wenn die Männer Gerd Morriens in den Jahren 1454/55 2400 Armbrustbolzen verschossen, so steht dem der unglückliche Verlust eines einzigen Menschenlebens gegenüber. Häufiger erfahren wir von punktuellen Raub- und Plünderungszügen, einem florierenden Geschäft mit Lösegeld und Gefangenen und flächig eingetriebenen Schutzgeldern. Das Hauptseminar will einen vertieften Einblick in die Praxis der Fehdeführung im spätmittelalterlichen Reich gewähren und wird dabei einen Schwerpunkt auf den westfälischen Raum des 15. Jahrhunderts legen. Erwartet wird von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Bereitschaft, sich mit originalen Archivalien dieser Zeit zu befassen. Der Besuch der ersten Seminarsitzung ist obligatorisch.
- Lehrende/r: Jan Keupp
Während das Thema des Schwarzen Todes, der Pest, seit langem große Aufmerksamkeit hervorgerufen hat, ist die Umweltgeschichte des Mittelalters erst in jüngerer Zeit in den Fokus der Forschung gerückt. Beide Bereiche gehörten jedoch in der Wahrnehmung mittelalterlicher Zeitgenossen durchaus zusammen, denn es handelte sich um Sphären, die dem Einfluß des Menschen scheinbar entzogen waren, in denen Gott bzw. die Vorsehung ihren unerforschlichen Ratschluß zu vollstrecken schien. Das Seminar behandelt ausgewählte Themen der Klima-, Umwelt- und Seuchengeschichte in vergleichender Perspektive vor dem Hintergrund globalgeschichtlicher Ansätze.
- Lehrende/r: Wolfram Drews
Aus dem Hochmittelalter sind Reiseberichte mehrerer europäischer Autoren überliefert, die Reisen nach Ostasien unternahmen, entweder als Händler, wie Marco Polo, oder aber als Gesandte und Missionare, die in päpstlichem oder königlichem Auftrag aufbrachen, um die Herrscher ferner Länder zum Christentum zu bekehren und sie als militärische Bundesgenossen im Rücken der Muslime zu gewinnen; in diesem Kontext entstand etwa die berühmte Legende vom Priesterkönig Johannes. Die Übung behandelt die einschlägigen Texte der beiden bekanntesten mendikantischen Gesandten, die im 13. Jahrhundert in den Fernen Osten aufbrachen. Die Quellen werden in Auszügen gelesen und diskutiert sowie in den jeweiligen politischen, religiösen und kulturellen Kontext gerückt.
- Lehrende/r: Wolfram Drews
Die Finanz- und vor allem Bankenkrise seit 2008 provoziert immer wieder Vergleiche mit dem „schwarzen Freitag“ der Weltwirtschaftskrise 1929; die Besetzung der Krim durch russisches Militär wurde wiederholt mit dem Ersten Weltkrieg verglichen; der Krieg in Syrien und die Migration nach Deutschland haben sogar Parallelisierung mit der Völkerwanderung hervorgebracht. Was in der Publizistik und in sonstigen Öffentlichkeiten zum Geschäft gehört, bedarf in der Geschichtswissenschaft durchaus des Nachdenkens. Wenn der Münchner Historiker Hans Günther Hockerts das Schlagwort von der „Zeitgeschichte als Problemgeschichte der Gegenwart“ aufwarf, dann modifiziert das Fach durchaus das viele Jahrzehnte selbst gepflegte Selbstverständnis. Das Seminar wird daher im ersten Drittel der Sitzungen verschiedene Ansätze dazu prüfen, was „Zeitgeschichte“ definiert und ob und wie sich eine „jüngste Zeitgeschichte“ sinnvoll etablieren lässt. Dabei ist ein hohes Lektürepensum aller Teilnehmenden die Voraussetzung. Im zweiten Drittel des Seminars werden wir an ausgewählten Problemstellungen der deutsch-deutschen Geschichte in Perspektive auf das wiedervereinigte Deutschland nach 1990 der Frage nachgehen, inwieweit sich die Geschichte der Vereinigungsgesellschaft aus den jeweils historischen Erfahrungs- und Erwartungsräumen erzählen lässt. Abschließend wird dann Gelegenheit sein, an ausgewählten Problemstellungen (Migration, politischer Partizipation o.a.) oder am Beispiel eigener Entwürfe der Teilnehmenden die Perspektive auszuweiten.
- Lehrende/r: Thomas Großbölting