Nicht nur lustige Gesichter

Untersuchung von Emojis in WhatsApp-Gruppen

Sie sind lustig anzuschauen, verbreiten meist gute Laune und sind aus der elektronischen Kommunikation nicht mehr wegzudenken: Emojis sind weit mehr als einfache Illustrationen von Gemütsverfassungen. Über 2600 sind inzwischen per Unicode definiert, wie und wofür sie speziell beim Messengerdienst WhatsApp verwendet werden, untersucht der Sprachwissenschaftler Marcel Fladrich am Lehrstuhl der Germanistin Prof. Susanne Günthner. Brigitte Nussbaum sprach mit dem Doktoranden.

Die Bezeichnungen variieren, mal ist von Emojis, dann wieder von Emoticons die Rede. Worin liegen die Unterschiede zwischen den beiden Darstellungsformen?

Emoticons sind aus ASCII-Zeichen entstanden. Inzwischen weiß jeder, dass ein Doppelpunkt, gefolgt von einer schließenden Klammer für ein Lächeln steht, auch wenn es abstrakte Zeichen sind. Emojis dagegen sind grafisch ausgestaltet, stellen also tatsächlich ein lächelndes Gesicht dar. Emoticons erfordern wegen des geringeren Zeichensatzes und der größeren Abstraktion eine höhere Kreativität beim Verstehen. Emojis kann der Leser dagegen schneller eine Bedeutung zuweisen.

Emojis werden in allen Formen der elektronischen Kommunikation genutzt. Sie untersuchen die Verwendung speziell bei WhatsApp. Warum?

Das hat vor allem praktische Gründe. Der Chatverlauf lässt sich per E-Mail verschicken, es ist sowohl eine 1:1-Kommunikation als auch ein Gruppenchat möglich und anders als beispielsweise in Internetforen haben wir immer einen geschlossenen Gruppenraum. Das ist auch ein Grund dafür, warum sich unser Institut an dem Projekt MoCoDa (Mobile Connection Database) unter Federführung der Universität Essen/Duisburg beteiligt. Das Wissenschaftsministerium des Landes finanziert die Schaffung einer Datenbank, an die Interessierte ab Mitte des Jahres ihre WhatsApp-Daten spenden können. So erhalten wir als Wissenschaftler eine breite Textbasis, an der wir forschen können. Anonymität und Vertraulichkeit für die Spender ist natürlich gesichert!

Fast alle abstrakten Schriftsysteme haben sich aus konkreten bildlichen Darstellungen entwickelt. Das beste Beispiel dafür sind wohl die ägyptischen Hieroglyphen. Warum geht der Trend nach Jahrtausenden der reinen Schrift jetzt wieder zum Bild?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Ursprünglich stand die Sprachökonomie im Vordergrund. Mit einem Emoticon kann man mit einem Zeichen mehr ausdrücken als mit vielen verschiedenen Buchstaben, das war bei SMS und ist noch heute bei Twitter mit seiner Zeichenbeschränkung relevant.
Vielleicht wird die Verwendung von Emojis mit der Weiterentwicklung der Technik wieder zurück gehen, denn zumindest heute noch können Spracheingabesysteme keine Emojis verstehen.

Eigentlich werden sie doch eh nicht mehr gebraucht, selbst Twitter hat seine Zeichenzahl verdoppelt.

Aber Emojis werden ja nicht nur aus sprachökonomischen Gründen verwendet, es gibt noch einige weitere Gründe. Ein Sektglas, ein Feuerwerk oder Weihnachtsbaum dienen zur Ausschmückung, zur Illustration des vorher Geschriebenen und fügen keine weitere Bedeutung hinzu. Anders ist das, wenn mit Emojis Mündlichkeit in der Schriftlichkeit emuliert wird, wenn sie eingesetzt werden, um Mimik, Gestik, Bewegungen im Raum oder die Stimmlage zu verbildlichen. Das geht weit über die Informationen hinaus, die ein reines Schriftsystem liefern kann.

Emojis sind also ein Abbild des Gesichtsausdrucks des Senders?

Nicht unbedingt. Emojis spiegeln nicht die eigene Mimik wider, sondern werden platziert, um bestimmte Wirkungen zu erzielen. Deshalb können sie auch nicht das Face-to-Face-Gespräch ersetzen, in dem auch unbewusste Reaktionen eine Rolle spielen.

Sind Emojis eine universelle Sprache, die jeder versteht?

Wir verstehen die Zeichen, obwohl es kein Wörterbuch gibt, weil wir sie sofort mit einer Vorstellung aus dem realen Leben verbinden können. Allerdings weicht die Ausgestaltung von Emojis je nach Plattform voneinander ab. Da kann ein Zeichen bei Facebook beispielsweise eine rothaarige Frau zeigen, während sie bei Twitter blond ist.

Aber wir sind sehr tolerant, was Missverstädnisse aufgrund von Emojis angeht. Sie werden verwendet und fast nie problematisiert und hinterfragt. Vielleicht, weil es „nur“ bildliche Darstellungen sind und nicht wie Worte auf die Goldwaage gelegt werden.

Und trotzdem wissen wir, was gemeint ist?

Meistens. Genau das untersuche ich ja: Zum einen mit einem quantitativen Ansatz, also der Fragestellung, welche Emojis überhaupt benutzt werden.  Bisher habe ich 19.000 Nachrichten bearbeitet, im Schnitt war in jeder siebten Nachricht mindestens ein Emoji zu finden, fast die Hälfte davon sind die immer gleichen: Lachen, Lächeln, Freuen, Verliebtsein zeigen. Auf der qualitativen Ebene betrachte ich die Kommunikation in verschiedenen kommunikativen Zusammenhängen. Dabei hat sich gezeigt, dass es Emojis gibt, die nur einem speziellen Kontext verwendet und darüber hinaus nicht verstanden werden.
Außerdem ist der Gebrauch von Emojis kulturabhängig. In asiatischen Ländern ist es deutlich selbstverständlicher, grafische Zeichen zu benutzen. In China beispielsweise gibt es kaum noch Sprechstunden an den Universitäten, die Studierenden kommunizieren über WeChat mit ihren Professoren und verwenden dabei natürlich auch Emojis. Das ist in Deutschland noch undenkbar.

Wird unsere Kommunikation durch Emojis viel- oder einfältiger?

Ich denke schon, dass die Emojis unsere Kommunikation bereichern. Sie eröffnen uns neue weitere Möglichkeiten in unserer medial schriftlichen Kommunikation. Schon der hochfrequente Gebrauch in unserer Alltagskommunikation zeigt, dass wir diese Möglichkeit gerne und in verschiedensten Kontexten nutzen. Und in manchen Zusammenhängen erwarten wir sogar verschiedene Emojis zur Ausschmückung oder Konkretisierung von Äußerungen.


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