Mareike Ritter
Forschungsprojekt: Jüdisch-muslimische Bündnisse in Deutschland
In Deutschland wurden und werden seit 2015 vermehrt jüdisch-muslimische Initiativen ins Leben gerufen, vor allem in Form von Begegnungs- und Dialogformaten und Bildungsinitiativen, sowie im Rahmen von Kunst und Kultur. Im Fokus steht vor allem, religiöse Identität sichtbar zu machen und Räume für den persönlichen Austausch und für Solidarisierung untereinander zu schaffen (vgl. Arslan 2020, 30). Damit soll zugleich das Narrativ einer grundsätzlichen Feindschaft zwischen Jüdinnen*Juden und Muslim*innen widerlegt werden. Denn viele der Initiativen setzen sich zudem dafür ein, Antisemitismus und anti-muslimischen Rassismus nicht als getrennte Phänomene zu betrachten, sondern als miteinander verknüpfte Probleme mit ähnlicher Ursache, die es gemeinsam zu bewältigen gilt (vgl. Attia 2018).
Insofern lassen sich jüdisch-muslimische Bündnisse als eine politische Antwort auf den Diskurs über religiöse Pluralität verstehen, in dem Debatten um Säkularität und religiösen Forderungen nach Sichtbarkeit, in der religiöse Minderheiten von einer scheinbar säkularisierten Mehrheit abgegrenzt und als fremd identifiziert werden (vgl. Bochinger 2015, 42; Sökefeld 2003, 95). Denn das gesteigerte öffentliche Interesse an Religion(en) seit 9/11 und insbesondere seit der sogenannten „Flüchtlingskrise“ suggeriert zwar, dass die Säkularisierungsthesen der 1980er Jahre endgültig abgelöst wurden. Doch mit der Rede von der „Rückkehr“ oder „De-Privatisierung“ von Religion wird – wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz – religiöse Pluralität nicht etwa als historischer Normalfall betrachtet (vgl. Bochinger 2015, 36–37; Weltecke 2015, 14; Lindekilde und Kühle 2015, 173). Stattdessen gilt religiöse Pluralität weiterhin als Ausnahmeerscheinung und wird politisch als Herausforderung oder gar Bedrohung für ein „friedliches gesellschaftliches Miteinander“ verhandelt (CDU/CSU/SPD 2018, 163; vgl. Bochinger 2015, 43).
Das Forschungsprojekt beschäftigt sich insofern mit dem politischen Engagement jüdisch-muslimischer Bündnisse und verbindet dazu Social-Movement-Theorien und Generationsforschung. Das Ziel ist es, herauszufinden, ob und inwiefern es sich bei jüdisch-muslimischen Bündnissen in Deutschland um einen generationsspezifischen Aktivismus von Minderheiten handelt. Darüber hinaus soll herausgearbeitet werden, was den Aktivismus jüdisch-muslimischer Bündnisse auszeichnet, und in welchem Zusammenhang er mit religiöser Identitätskonstruktion steht.
Der Zugriff über die aktuelle Forschung zu sozialen Bewegungen ermöglicht es, die Dynamik zwischen Rahmenbedingungen und strategischen Entscheidungen in den Blick zu nehmen (vgl. Jasper, Moran, und Tramontano 2014, 403; Willems 2004, 33–34; Burns und Kniss 2013; Schuppert 2016). So kann das Verhältnis von Religion und Politik nicht als einseitige Governance-Beziehung verstanden werden, sondern als Geflecht aus Regulierung und Selbstregulierung (vgl. Sökefeld 2003, 95).
Bibliografie:
Mareike Ritter ist Mitglied der Forschungsgruppe Politische Theorie und wird von Prof. Dr. Ulrich Willems und Prof. Dr. Ines Michalowski betreut.
09/2021 | Aufnahme in die Graduate School of Politics (GraSP), Institut für Politikwissenschaft, Westfälische Wilhelms-Universität Münster. |
Seit 01/2021 | Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungskolleg RePliV (Regionale Regulierung Religiöser Pluralität im Vergleich), Promotionsstudium Politikwissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. |
09/2019 - 10/2020 | Masterstudium „Religion, Politics and Society” an der University of Birmingham, UK |
10/2015 - 01/2019 | Bachelorstudium Religionswissenschaft an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und der Universität Leipzig |
Forschungsinteressen