DFG-Projekt „Sammlungsbesichtigung als epistemische Praktik in der Scientific Community der Geowissenschaften zwischen 1765 und 1807“
Das Projekt verfolgt drei, miteinander verschränkte Ziele: Erstes und zentrales Anliegen ist es, den Stellenwert kollaborativer Wissensproduktion im Kontext von Sammlungsbesichtigungen und damit Sammlungsbesichtigungen als zentrale epistemische Praktik der frühen Geowissenschaften zu bestimmen. Zweitens sollen für die Entstehungsphase der Geowissenschaften geowis¬senschaftliche Sammlungen als vernetzte Orte der Herstellung, Zirkulation und Verfestigung wissenschaftlichen Wissens und fachspezifischer Methoden in ihrer Diversität erfasst und be¬schrieben werden. Mit dieser Fokussierung auf Sammlungen und Sammlungsbesichtigungen ist schließlich drittens das Ziel verbunden, das Profil dezentral betriebener Forschung und das Gewicht ‚privater‘ Akteure in den sich sukzessive formierenden und intern spezialisierenden Geowissenschaften unmittelbar vor ihrer akademischen Institutionalisierung herauszuarbeiten. Insgesamt verspricht das interdisziplinär an der Schnittstelle von Geschichts- und Geowissenschaften angesiedelte Projekt, die Bedeutung von Sammlungen und deren Besichtigung für die entstehenden Geowissenschaften in neuer Weise zu konturieren.
Umgesetzt werden soll dieses Forschungsprogramm mit einem mikrohistorischen Zugriff. Im Mittelpunkt steht Adolf Traugott von Gersdorf (1744–1807) aus der Oberlausitz. In seinem Nachlass sind über Jahrzehnte geführte Dokumentationen in Reisetagebüchern und Korrespondenzen erhalten, die durch Sammlungen geowissenschaftlicher Objekte mit Etiketten und weitere Materialien ergänzt werden.
Das Projekt knüpft mit seinen Frageperspektiven an drei Felder der jüngeren Wissenschafts- und Wissensgeschichte an: neben Arbeiten zur Struktur der Scientific Community um 1800, an Forschungen zu wissenschaftlichen Sammlungen und deren Bedeutung für die Herausbildung fachspezifischen Wissens in den Naturwissenschaften und schließlich an neuere Überlegungen zu den Praktiken des wissenschaftlichen Austauschs und Fragen kollektiver Wissensproduktion.