Einführungen in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts
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SOZIALVERSICHERUNG

(tl) Individualversicherungen werden in der Regel von Privaten angeboten und meist freiwillig abgeschlossen (Ausnahme zum Beispiel die Kfz-Zwangsversicherung). Die Höhe der Versicherungsprämie hängt vom individuellen Risiko des Versicherten sowie von Dauer, Art und Höhe der Leistung im Versicherungsfall ab (Äquivalenzprinzip). Die Modalitäten können durch Vertrag zwischen Versicherungsnehmer und -anbieter (innerhalb der gesetzlichen Möglichkeiten) frei gestaltet werden.

Bei der Sozialversicherung hingegen nehmen staatliche Institutionen eine herausragende Stellung ein. Meist herrscht Kontrahierungszwang (alle Mitglieder einer bestimmten Gruppe müssen sich versichern) und -pflicht (Versicherungsanbieter müssen alle Mitglieder einer bestimmten Gruppe versichern). Das Äquivalenzprinzip gilt in der Sozialversicherung nur eingeschränkt: die Prämienhöhe richtet sich nicht nach dem individuellen Risiko, sondern in erster Linie nach dem Arbeitseinkommen des Versicherten (Solidaritätsprinzip); die Leistung im Versicherungsfall ist in der Regel gesetzlich geregelt.

Sowohl bei der Individual- wie auch bei der Sozialversicherung findet eine Umverteilung zwischen den Versicherten statt. Bei der Individualversicherung kommt es zu intertemporaler und/oder interpersoneller Umverteilung, weil nicht bei allen Versicherten der Versicherungsfall eintritt und/oder der Versicherungsfalls bei den Versicherten zu verschiedenen Zeitpunkten eintritt. Da die Höhe der Prämie in der Sozialversicherung nicht nach dem Äquivalenzprinzip, sondern vorrangig durch die Höhe des Arbeitseinkommens bestimmt wird, kommt es hier zu einer weitergehenden Umverteilung als in der Individualversicherung (nämlich zwischen hohen und niedrigen Einkommen). Diese kann noch verstärkt werden, wenn mit Hilfe der Sozialversicherung mehrere sozialpolitische Ziele verfolgt werden (zum Beispiel durch die Gewährung von Rentenansprüchen für die Erziehung von Kindern).

Die erste Sozialversicherung in Deutschland war die 1883 von Bismarck eingeführte Krankenversicherung. 1884 folgte die Unfall-, 1889 die Alters- und Invalidenversicherung. Die materiellen Versicherungsleistung waren aber noch dürftig. Zudem war die Versicherung auf Arbeiter beschränkt. In der Weimarer Republik wurden dann auch die Angestellten in die Sozialversicherung aufgenommen. Außerdem wurden die materiellen Versicherungsleistungen angehoben (insbesondere bei der Arbeitslosenversicherung). Die Entwicklung der Leistungsausweitung setzte sich in der Bundesrepublik fort. Besonders forciert wurde sie in den siebziger Jahren. 1995 kam als neuer Zweig des Sozialversicherungssystems die Pflegeversicherung hinzu. Das westdeutsche System der Sozialversicherung wurde nach der Wiedervereinigung auch auf die neuen Bundesländer übertragen.

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