Einführungen in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts | ||
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NICHTTARIFÄRE HANDELSHEMMNISSE
(tl) Nichttarifäre Handelshemmnisse (NTH; englisch: Nontariff Barriers, NTB) sind, wie der Name schon sagt, solche Beschränkungen von internationalem Handel, die nicht Zölle (englisch: tariffs) sind. Wie Zölle dienen sie dem Schutz einheimischer Produzenten vor Konkurrenz durch (billigere) Importe aus dem Ausland.
Eine häufig anzutreffende Form der NTH sind Importkontingente. Hierbei setzt der Staat jährliche Höchstmengen oder Höchstwerte für Importe fest und gibt eine entsprechende Anzahl von Importlizenzen aus. Gegenüber Zöllen haben Importkontingente den Vorteil, dass sich die Menge der importierten Güter genauer steuern lässt (durch Zölle wird zwar der inländische Preis von im Ausland produzierten Gütern zunächst höher; reagieren die ausländischen Produzenten auf diese Erhöhung jedoch mit Preissenkungen, wird der Effekt der Zollerhebung zum Teil kompensiert, in Extremfällen sogar überkompensiert). Regierungen bevorzugen sie zudem, weil sie ihnen einen größeren Handlungsspielraum bei der Verhandlung mit den Importeuren geben, da sie (meist im Einzelfall) bestimmen, wer eine der Lizenzen erhält. Es gibt aber auch Nachteile gegenüber Zöllen. Zum einen fallen die Einnahmen aus der Zollerhebung weg (dem kann dadurch Abhilfe geschaffen werden, dass die Importlizenzen nicht - wie in den meisten Fällen - einfach verteilt, sondern verkauft oder meistbietend versteigert werden). Zudem verschaffen Importkontingente den lizenzierten Importeuren eine Monopolstellung für das Importgut.
Eine merkwürdig anmutende Art von NTH sind freiwillige Exportbeschränkungen (englisch: Voluntary Export Restraints, VER). Bei dieser Art von Vereinbarungen zwingt das importierende Land die ausländischen Produzenten, ihre Einfuhr „freiwillig“ zu begrenzen. Wegen der hierfür nötigen Machtmittel bedienen sich ihrer in erster Linie große, wirtschaftsstarke Länder. Gegenüber Zöllen und Importkontingenten bieten sie Regierungen den Vorteil, dass sie etwas für die heimischen Produzenten tun und sich gleichzeitig weiter als Freihändler gebärden können. Sie haben aber diesen Instrumenten gegenüber auch gravierende Nachteile. Zum einen entfällt bei freiwilligen Exportbeschränkungen die Möglichkeit fiskalische Einnahmen zu generieren vollständig. Zudem wird dem einzelnen ausländischen Produzenten ein quasi-monopolistischer Marktzugang für seine „freiwillig“ reduzierte Exportmenge gewährt, so dass für ihn der Anreiz entfällt, durch Preisunterbietungen im Wettbewerb mit anderen Produzenten einen höheren Anteil auf dem Importmarkt zu erlangen. (Beispiel für freiwillige Exportbeschränkungen: „freiwilliger“ Verzicht der Japaner auf Automobil-Exporte in die USA zu Beginn der achtziger Jahre)
Ein drittes weit verbreitetes Beispiel für NTH sind Standards, insbesondere Ausbildungs-, Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltstandards. Denn diese könne zwar auf der einen Seite wichtige gesellschaftliche Ziele (Behandlung durch einen qualifizierten Arzt, bessere Gesundheit, höhere Produktsicherheit, bessere Luft) fördern. Für findige Handelspolitiker ist es jedoch ebenso ein leichtes, in Gesetzen oder Verordnungen Standards festzuschreiben, welche von einheimischen Produzenten oder Dienstleistern leicht, von ausländische Konkurrenten aber nur schwer oder gar nicht eingehalten werden können. Die Durchsetzung und Überwachung von Standards ist mit hohen Kosten verbunden, denen in der Regel keine Möglichkeit der fiskalischen Einnahmengenerierung gegenübersteht. (Beispiel für Standards als NTH: Weigerung der Europäischen Union (EU) amerikanisches Rindfleisch einzuführen, weil dies hormonbehandelt ist, obwohl es keine medizinischen Erkenntnisse gibt, die auf eine Gesundheitsschädlichkeit dieses Fleisches hindeuten.)
Abschließend sind noch Regelungen, die einheimische Produzenten bei öffentlichen Ausschreibungen bevorzugen und Subventionen für importkonkurrierende einheimische Produzenten zu nennen. Insbesondere letztere sind weit verbreitet. Der Vorteil von Subventionen gegenüber anderen Formen von nichttarifären Handelshemmnissen ist, dass sie den Inlandspreis des betreffenden Gutes nicht erhöhen und somit keine negativen Mengenreaktionen bei den Konsumenten hervorrufen. Die positiven Auswirkungen auf die einheimische Industrie sind dadurch größer. Gleichzeitig müssen die Mittel für die Subventionen in voller Höhe von den Bewohnern des importierenden Staates aufgebracht werden. Diesen Aufwendungen stehen keine fiskalische Einnahmen gegenüber. Politiker schätzen Subventionen zudem aus den gleichen Gründen wie Importkontingente. (Beispiel: Agrarsubventionen der EG)
Genauso wie Zölle bedeuten alle Arten von NTH einen Wohlfahrtsverlust gegenüber einem Freihandelsszenario (mit Ausnahme einiger Extremfälle). Bei allen Spielarten wird das ausländische Angebot künstlich verknappt, die Konsumenten erhalten weniger von dem gewünschten Gut und müssen hierfür höhere Preise bezahlen (oder einen niedrigen Preis subventionieren). Zwar können die inländischen Produzenten eventuell ihre Produktion ausdehnen, wenn die ausländische Konkurrenz ferngehalten wird, dieser Effekt wird aber in der Regel durch den erzwungenen Nutzenverzicht bei den Konsumenten überkompensiert (das Bild ändert sich auch nicht grundlegend, wenn man eventuelle Verkaufs- oder Versteigerungserlöse von Importlizenzen in die Rechnung mit einbezieht). Dazu kommen negative Auswirkungen in den Exportländern.
Nach der so genannten Uruguay-Welthandelsrunde (1986-1993), aus der die Welthandelsorganisation (WHO; oder englisch: World Trade Organisation, WTO) hervorging, wurde die Abschaffung der freiwilligen Exportbeschränkungen bis 2005, ein Verbot diskriminierender Standards und die Umwandlung wichtiger Importkontingentierungen in Zölle beschlossen (über die Reduktion von Zöllen lässt sich leichter verhandeln, weil hier mögliche Zugeständnisse in Zahlen gegeneinander aufgerechnet werden können). Die Mitgliedstaaten unterwarfen sich in diesen Fragen der Rechtssprechung der WHO. In der EU wird die Beseitigung aller NTH zwischen den Mitgliedern seit der Einheitlichen Europäischen Akte (1987) verfolgt. Hierbei wurden insbesondere bis 1992 (Verwirklichung des Binnenmarktes) beachtliche Fortschritte erzielt (gegenseitige Anerkennung von Qualitätsstandards, Abschaffung von Mengenbeschränkungen, Subventionskontrolle), der Prozess hält aber auch heute noch an [so gibt es immer wieder Urteile des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), die Standards, Subventionen oder Ausschreibungsregeln in Mitgliedsstaaten für nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar erklären].
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