Einführungen in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts | ||
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"POSITIVE" und "PREVENTIVE" CHECKS BEI TH. R. MALTHUS
(ml) In Kapitel 4 seines »Essay on the Principle of Population as it Affects the Future Improvement of Society, with Remarks on the Speculations of Mr. Godwin, M. Condorcet, and Other Writers«, der erstmals 1798 in London erschien, legt Thomas Robert Malthus dar, es gebe zwei Arten von Hemmnissen für die Zunahme der Bevölkerung: vorbeugende (preventive checks) und nachwirkende (positive checks).
Nachwirkend sei die Auswirkung des Realeinkommens auf die Bevölkerung: wenn
sie Bevölkerung über den Zuwachs der Ressourcen hinaus wachse, sinke das
Realeinkommen, und dieses Absinken führe zu verstärkter Armut, schlechteren
Lebensbedingungen und damit zum Ansteigen der Sterblichkeit. Außerdem erhöhe
ein generell absinkender Lebensstandard die Wahrscheinlichkeit des Eintretens
von katastrophalen Sterblichkeitskrisen in Form von Hungersnöten oder Epidemien.
Man kann also von "positive checks" im Sinne von Malthus als natürlichen Reaktionen auf das Auftreten
von verstärktem Bevölkerungsdruck sprechen.
Forschungsergebnisse bezüglich Epidemien (insbesondere zur Pestepidemie von
1347/48) und Subsistenzkrisen (z.B. der irischen Hungerkrise der 1840er Jahre)
haben zu ambivalenten Ergebnissen bezüglich der Gültigkeit der Theorie der
"positive checks" geführt.
Als vorbeugendes Hemmnis betrachtet Malthus in erster Linie die späte Heirat.
Als anglikanischer Geistlicher lehnte er den lebenslangen Verzicht auf die Ehe
als "Befriedigung einer so schönen Leidenschaft wie der tugendhaften Liebe"
ebenso ab wie Verhütungsmittel. Er beobachtete zudem die weitgehende
Unabhängigkeit der Geburtenrate vom Lebensstandard der Eheleute und schloss
daraus, dass späte Heirat am besten geeignet sei sowohl die Zunahme der
Bevölkerung einzuschränken als auch einen angemesseneren Lebensstandard zu
sichern. Ein derartiger "preventive check" trage dazu bei, dem mit den "positive
checks" verbundenen Leid vorzubeugen und den allgemeinen Lebensstandard zu
heben.
Trotz verschiedener Hinweise auf "preventive checks", die als endogene
Beziehung zwischen Geburtenrate und (realer) Einkommensentwicklung modelliert
werden, ist in der Forschung auch das Wirken dieser Art malthusianischer
Prinzipien umstritten.
Literatur: Malthus, An Essay, Kap. 4.
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