Erde enthält mehr Staub von "roten Riesen" als primitive Meteorite
Alle Objekte in unserem Sonnensystem bestehen aus Material früherer Sternengenerationen. Wissenschaftler aus Münster, Chicago und Livermore (USA) haben nun mittels hochpräziser Isotopen-Messungen herausgefunden, dass die Erde mehr Material von sogenannten roten Riesen-Sternen enthält als die primitiven Meteorite (Chondrite) aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Diese Meteorite sind seit ihrer Entstehung zu Beginn des Sonnensystems vor mehr als viereinhalb Milliarden Jahren bis heute unverändert geblieben und gelten als die Urbausteine der Erde. Die Analyse ihres Gesteins ermöglicht daher Rückschlüsse auf die Zusammensetzung des Erdinneren und die geologische Entwicklung der Erde. Die in der Fachzeitschrift "Nature" publizierte Studie beweist, dass chondritische Meteorite nicht – wie bisher angenommen – repräsentativ für die isotopische Zusammensetzung der Erde sind.
Erstautor Dr. Christoph Burkhardt vom Institut für Planetologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) sagt: "Die Studie zeigt, dass die Staub- und Gas-Scheibe, aus der die Planeten und Meteoriten-Mutterkörper entstanden, nicht überall die gleiche Zusammensetzung hatte." Die Beobachtungen sollen helfen, besser zu verstehen, wie Materie im frühen Sonnensystem transportiert und vermischt wurde, und erlauben Rückschlüsse auf die Entstehungsgeschichte planetarer Körper und die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen ihnen. "Unsere Arbeit hat weitreichende Folgen für unser Verständnis der Entstehung, Zusammensetzung und geologischen Entwicklung der Erde", sagt Christoph Burkhardt.Dies zeigt sich vor allem bei der Interpretation eines kleinen Unterschieds in der isotopischen Zusammensetzung des Elements Neodym in Gesteinen der Erde und in chondritischen Meteoriten. Basierend auf der Grundannahme, dass die isotopische Zusammensetzung der Erde und Chondriten identisch ist, wird der Unterschied nach geltender Lehrmeinung durch den radioaktiven Zerfall von 146-Samarium zu 142-Neodym erklärt. Samarium und Neodym müssten sich somit zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der Entwicklungsgeschichte der Erde – noch vor Entstehung des Mondes – durch Aufschmelzen des Erdmantels ungleich verteilt haben. Der mit Neodym angereicherte Teil, eine Art frühe Erdkruste, ist dann entweder seit seiner Entstehung in der Erde "versteckt" oder wurde durch Meteoriteneinschläge ins Weltall geschleudert. Die neue Studie zeigt nun, dass der isotopische Unterschied nicht auf radioaktiven Zerfall und frühe Schmelzprozesse im Erdmantel zurückzuführen ist, sondern nur auf den unterschiedlichen Anteil von Material roter Riesen-Sterne bei Erde und chondritischen Meteoriten. "Damit werfen wir die in den letzten zehn Jahren aufgekommenen Erdentstehungs- und Entwicklungsmodelle mitsamt ihren 'versteckten' Reservoiren über den Haufen", unterstreicht Christoph Burkhardt.
Originalpublikation:
C. Burkhardt, L. E. Borg, G. A. Brennecka, Q. R. Shollenberger, N. Dauphas, T. Kleine (2016): A nucleosynthetic origin for the Earth's anomalous 142Nd composition. Nature; DOI: 10.1038/nature18956