Pressemitteilung upm

Ergebnisse eines Rendezvous

Vorbeiflug von "Rosetta" am Asteroiden "21 Lutetia": Forscher werten erste Daten aus / "Science"-Publikation

Münster (upm), 28. Oktober 2011

Der Asteroid Lutetia in Nahaufnahme
Der Asteroid Lutetia in Nahaufnahme
Foto: ESA 2010 MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/RSSD/INTA/UPM/DASP/IDA

Forscher des Instituts für Planetologie (IfP) der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) fieberten im vergangenen Jahr einem ganz besonderen Rendezvous entgegen: dem Vorbeiflug der Raumsonde Rosetta an dem Asteroiden "21 Lutetia". Im Juli 2010 war es soweit. Nun hat ein internationales Forscherkonsortium die ersten Daten ausgewertet, welche Messinstrumente an Bord der Sonde bei der Begegnung aufzeichneten. Lutetia ist demnach ein Relikt aus der Entstehungszeit unseres Planetensystems, dessen mineralogische Zusammensetzung sich seither nicht verändert hat. Die Ergebnisse, die nun im angesehenen Fachmagazin "Science" veröffentlicht sind, helfen den Forschern, die Entstehung des Planetensystems nachzuvollziehen.

"Um die Entstehung des Planetensystems zu verstehen, braucht man Informationen über den Ausgangszustand der Materie, aus der dann die Planeten entstanden sind. Der Asteroid Lutetia ist ein Überbleibsel jener sogenannten refraktären, festen Materie, die nicht in die Bildung der Planeten eingegangen ist. Damit ist er für uns quasi ein Fenster in die Vergangenheit und liefert Informationen über den Zustand unseres Planetensystems in der frühen Phase seiner Entwicklung", erklärt Dr. Gabriele Arnold vom IfP. Die Wissenschaftlerin ist an den Untersuchungen beteiligt und koordiniert die Arbeiten der deutschen wissenschaftlichen Gemeinde im Rahmen des Experiments VIRTIS ("Visible and Infrared Thermal Imaging Spectrometer") bei der Rosetta-Mission.

Lutetia ist ein Vertreter aus dem Hauptgürtel jener Asteroide, die ihre Bahnen zwischen Mars und Jupiter ziehen. Den Messdaten zufolge ist Lutetia mit eisenarmem oder sogar eisenfreiem Regolith bedeckt. Regolith ist ein feinkörniger mineralischer Staub, der auch für die Mondoberfläche charakteristisch ist, wobei der Mond-Regolith Eisen enthält. Regolith kann bei Himmelskörpern, die keine Atmosphäre besitzen, infolge der kosmischen Verwitterung aufgebaut werden, also durch den Einschlag winziger Meteorite oder durch Sonnenwinde. "Ob ein Himmelskörper Eisen enthält oder nicht, ist ein Hinweis darauf, wo er innerhalb des Planetensystems entstanden ist", erklärt Gabriele Arnold. Zusammen mit den übrigen Messergebnissen gibt die Zusammensetzung des Regoliths Hinweise darauf, dass Lutetia ein unverändertes Relikt aus der Entstehungszeit des Planetensystems ist.

Die Daten wurden von dem Spektrometer VIRTIS gemessen, das sich an Bord von Rosetta befindet. Aus den Ergebnissen können die Wissenschaftler Rückschlüsse auf die Struktur, die stoffliche Zusammensetzung und die Oberflächentemperatur von Himmelskörpern ziehen. VIRTIS misst in einem bislang einzigartig breiten Wellenlängenbereich vom sichtbaren Licht bis zum sogenannten nahen Infrarot. Dieser Bereich ist von der Erde aus wegen der Erdatmosphäre nicht beobachtbar, sodass die Daten, die nun gesammelt werden konnten, für die Forscher von besonderer Bedeutung sind.

Rosetta wurde im März 2004 mit einer Ariane-Trägerrakete gestartet. Im Rahmen der bislang längsten Mission der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), an der auch die münsterschen Wissenschaftler vom IfP beteiligt sind, ist sie auf dem Weg zum Kometen "67P/Churyumov-Gerasimenko". Im Jahr 2014 wird sie ein Gerät zu Forschungszwecken auf dessen Oberfläche absetzen. Dann soll die Sonde weitere Erkenntnisse zur Entstehung des Planetensystems liefern.

 

Originalpublikation:

Coradini A. et al. (2011): The Surface Composition and Temperature of Asteroid 21 Lutetia As Observed by Rosetta/VIRTIS. Science 334, no. 6055 pp. 492-494; DOI: 10.1126/science.1204062

Originalpublikation in "Science" Dr. Gabriele Arnold