"Biegen Sie in 180 Metern rechts ab. Folgen Sie dem Straßenverlauf sechs Kilometer. Bleiben Sie links." Mit derartigen Anweisungen lenken Navigationsgeräte Autofahrer in der Regel sicher ans Ziel. Aber viele Menschen, die sich auf ihren elektronischen Lotsen verlassen, fühlen sich gerade in einer fremden Stadt dennoch oft orientierungslos. "Das ist kein Wunder", gibt Prof. Dr. Angela Schwering vom Institut für Geoinformatik der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) zu bedenken. "Ein Navi gibt uns Schritt für Schritt Anweisungen, was zu tun ist. Es vermittelt aber keine Ortskenntnis." Die 35-Jährige entwickelt daher ein neues Navigationskonzept, das die Orientierung der Menschen verbessern soll. Der Europäische Forschungsrat (ERC) fördert ihr Projekt über fünf Jahre mit gut 1,3 Millionen Euro im Rahmen eines "ERC Starting Grants".
"Die meisten Menschen wollen verstehen, was sie tun", sagt Angela Schwering. Dieses Bedürfnis berücksichtigt sie bei dem Navigationskonzept, das sie mit ihrer Arbeitsgruppe entwickelt. Bei dem sogenannten Orientation Wayfinding ("Navigation durch Orientierung") lenkt das Navi auf eine Weise, die der menschlichen Art sich zu orientieren entgegenkommt. Dabei erklärt es die Route anhand von Landmarken, die für Menschen bedeutsam sind. Wichtige Ankerpunkte werden benannt, und zwar auch dann, wenn man dem Straßenverlauf folgt. "Fahren Sie geradeaus über den Aasee, biegen Sie am Klinikum rechts ab, fahren Sie am Schloss vorbei in Richtung Innenstadt", könnten Ansagen demnach lauten. Auf dem Monitor werden die jeweiligen Orientierungspunkte schematisch vereinfacht dargestellt und nicht auf einer kleinmaßstäbigen Übersichtskarte, wie es bei Navis heutzutage üblich ist. Durch das Wissen um wichtige Landmarken und seine eigene Position innerhalb der Stadt kann der Fahrer eine "Karte im Kopf" aufbauen, die eine Orientierung ermöglicht.
Die Forschung läuft in drei Schritten ab. "Wir wollen von menschlichen Wegbeschreibungen lernen", sagt Angela Schwering. "Am Anfang unserer Forschung stehen daher Befragungen von Testpersonen." Die Ergebnisse werden dann von den Geoinformatikern in Computermodelle umgesetzt. Die Wissenschaftler prüfen deren Praxistauglichkeit im dritten Schritt mithilfe von Testpersonen. Neben Systemen für Autofahrer wollen die Forscher auch Versionen für Fahrradfahrer und Fußgänger entwickeln.
"ERC Starting Grants" gehören zu den begehrtesten Förderungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs in Europa. Das Programm des Europäischen Forschungsrates unterstützt führende Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler bei innovativen Forschungsprojekten.