Ostern übersetzt

Ostermontag A: Lk 24, 13-35 

 

Erzähltes und Erlebtes

Gestern war Ostermorgen – und jetzt feiern wir 50 Tage lang diesen Ursprung unseres Glaubens. Zum zweiten Tag dieser Festzeit – also heute – gehört untrennbar die Emmausgeschichte. Sie ist unter Christen geradezu populär geworden – bis dahin, dass sie in manchen Gemeinden mit dem Emmausgang sozusagen nachgespielt wird. Das ist kein willkürlicher Einfall und kein Zufall. Im Gegenteil: Es ist – wenn es recht geschieht – die eigentliche Absicht des Evangelisten. Denn Lukas tut nichts anderes, als das Ostergeheimnis in die Sprache gelebten Lebens zu übersetzen. Das heißt im Klartext: Wer selbst tut, was er erzählt, wird erleben, wovon er spricht, also erfahren, dass Ostern wahr ist. Daher kommt, dass in der Geschichte statt von Kleopas und dem anderen geradeso gut von Ihnen oder mir die Rede sein könnte.

Enttäuschung

Am deutlichsten wird das an der Art und Weise, wie es den beiden mit dem Ende Jesu am Kreuz geht und mit dem, was sie über den Ostermorgen gehört hatten. Wir hatten auf ihn, diesen Jesus gesetzt, erzählen sie, hatten gehofft, dass er der Not im Leben ein Ende machen würde. Stattdessen hat man ihm ein Ende gemacht, also handgreiflich widerlegt, dass er Recht hatte mit seiner Art zu glauben und zu leben. Alles bleibt, wie es ist, die Welt geht ihren Gang, wie sie ihn immer ging. Und wir müssen mit. Darum gehen die beiden wieder heim, zurück nach Emmaus. Die Sache mit Jesus – nur ein schöner Traum.

Vermeintliche Glaubensgründe

So tun und reden die beiden, wohlgemerkt, nach dem Ostermorgen! Nichts, was ihnen darüber erzählt wurde, konnte sie beeindrucken, gar umstimmen: Dass Frauen vom leeren Grab erzählten, hat sie nur verwirrt. Dass ein Engel ihnen mitgeteilt habe, Jesus lebe, kommt auch nicht an, lässt sie jedenfalls kalt. Dass sich dann auch noch einige Jünger des Erzählten vergewissern, also gleichsam amtlich bestätigen, ändert nichts.

Leere Gräber, Engelsbotschaften und amtliche Erklärungen besagen überhaupt nichts darüber, ob Ostern wahr ist oder nicht. Das steht im Evangelium. Es könnte geradeso gut von einem Christen heute niedergeschrieben sein. Oder glauben Sie an Ostern, weil da ein leeres Grab ins Spiel kommt? Ich nicht. Schon zur Zeit der Evangelisten setzten Gegner der jungen Christengemeinde das Gerücht in Umlauf, die Jünger hätten die Grabwächter bestochen, den Leichnam gestohlen und dann behauptet, Jesus lebe. Das war bösartig, aber es machte auch klar, dass ein leeres Grab kein Beweis für die Auferstehung ist. Oder glauben Sie an Ostern, weil da Engel gesprochen haben? Ich nicht. Ich bestreite damit nicht, dass den Frauen damals Engel begegnet sein können. Aber wenn es so war, dann hatten die Engel diesen Frauen etwas zu sagen, nicht mir. Oder glauben Sie an Ostern, weil ein paar Jünger mit ihrer Autorität bestätigten, was die Frauen erzählten? Ich nicht. Ich glaube auch nicht deswegen an Ostern, weil der Papst gestern beim Segen Urbi et Orbi von der Loggia des Petersdomes verkündete, dass Christus auferstanden sei – oder weil es vielleicht in einem Hirtenbrief steht.

Oster-Fundamente

Wenn wir – wie die Emmausjünger – das alles abziehen, was bleibt dann als Fundament für Ostern? Das, was im heutigen Evangelium steht. Wir dürfen davon nichts auslassen und müssen darum mit dem Anfang beginnen. Und dieser Anfang heißt: Die zwei sind unterwegs. Nur, wer nicht stehen- oder sitzenbleibt, wer aufbricht und weitergeht, kann hinauskommen über das, was man schon kennt und weiß. Auf ihrem Gang sprechen die beiden miteinander und tauschen ihre Gedanken aus. Das tun Menschen, die nachdenken, die suchen und sich Rechenschaft geben darüber, wie es steht. Schon dabei ging verborgen der Auferstandene mit ihnen, sagt Lukas. Trauer und Ratlosigkeit sind kein Widerspruch dagegen, dass Jesus und das, wofür er stand, auch durch den Karfreitag nicht widerlegt wurden. Allein schon, dass Menschen über ihn und sein Geschick miteinander sprechen, ist etwas Österliches – auch wenn die, die das tun, gar nichts davon merken.

Dazu, dass sie es merken, ergreift der Auferstandene selbst die Initiative. Aber wie! Nicht dadurch, dass er sich ihnen durch ein Wunder beweist, und auch nicht dadurch, dass er ihnen ins Gewissen redet, doch endlich an das leere Grab, die Botschaft des Engels und das Zeugnis der anderen Jünger zu glauben. Stattdessen verweist der Auferstandene die beiden auf die Schrift, genauer: auf das Alte Testament. Wer liest, was dort von Gott erzählt wird – davon, dass er seine Geschöpfe liebt und auch die Sünder nicht aufgibt und dass er um ihretwillen Einzelne immer tiefer in seine Absichten hineingenommen hat –, wer das wahrnimmt, lernt verstehen, dass das Schicksal Jesu – Gott ungeheuer nahe sein und trotzdem oder gerade deshalb wegen Gott sterben – kein Widerspruch zu Gott und Jesu Botschaft von ihm ist. Und auch, dass der, dem dies widerfährt, weil Gott ist, wie er ist, sogar in diesem Ende nicht verloren sein wird. Wer ernst nimmt, was die Schrift von Gott erzählt, kann gar nicht anders, als an die Auferstehung zu glauben – und auf rechte Weise an sie zu glauben.

Das Unverlierbare

So geglaubt heißt Auferstehung: Ich darf gewiss sein, kein Staubkorn Gottvertrauen und kein Funken Liebe wird vergeblich sein, wenn sie nur gewagt und getan gewesen sind. Der, der aus Gottvertrauen die Liebe ganz gewagt und getan hat, wird das im Augenblick seines irdischen Endes auch ganz erfahren. Darum bekennen wir Jesus als den ganz und gar Auferstandenen. Aber auch auf allem anderen an Liebe, an Güte, das geschieht, liegt trotz aller Unvollkommenheit schon ein Widerschein der Vollendung, ein österlicher Glanz. Lukas hat das dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er erzählt, wie die beiden Jünger den immer noch Unerkannten einladen, dass er mit ihnen esse und bei ihnen bleibe. Mahl halten und Aufnahme schenken ist über alle Kulturen und Zeiten hinweg so etwas wie ein Urzeichen dafür, dass Menschen einander zugetan und gut sind. Dieses menschliche Miteinandersein ist der Raum, in dem den beiden endlich die Augen aufgehen. Nur wer gütig ist, ahnt im Gutsein etwas davon, dass die Liebe, die Güte nie vergeblich, unwiderruflich, unzerstörbar ist. Und dass darum der auch durch den Tod nicht vernichtet ist, sondern lebt, der die Liebe selbst, die Gott ist, mit Leib und Leben versinnbildet hat. Indem sie zu dem Fremden gut sind, beginnen sie zu verstehen, dass Jesus, der Gute, das Gleichnis des guten Gottes, wirklich und für immer lebt bei Gott.

Die Liebe und ihr Erkennungszeichen

Weil das An-Ostern-glauben-Können so gänzlich am menschlichen Gutsein, an der Liebe hängt, hat Lukas mit ein paar Worten gleichsam in seine Geschichte hineingespiegelt, was Christen und Christinnen mehr als alles andere an die Liebe erinnert: Als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis und gab es ihnen – die Eucharistie. Wer ernsthaft Eucharistie feiert, bekennt damit: Ich glaube an die unzerstörbare Macht der Güte. In der Kommunion lasse ich mich mit der Liebe beschenken. Und so beschenkt, verspreche ich, sie auch selbst zu tun. Dann erfahre ich, was ich glaube. Darum stellt uns Lukas das Brotbrechen, das Inbild getaner Liebe, als die Weise vor Augen, in der man seit dem Ostermorgen und für immer dem Auferstandenen begegnen kann: so nah auf Du und Du und so wenig in Worten oder Dingen festzuhalten wie in Emmaus. Wie wir eben alles nah und unverfügbar zugleich erleben, was mit Liebe zu tun hat. Wenn sie ist, ist sie genug und ist sie sich genug.

Der Dichter Erich Fried hat es so beschrieben:
    Es ist Unsinn
    sagt die Vernunft
    Es ist was es ist
    sagt die Liebe

    Es ist Unglück
    sagt die Berechnung
    Es ist nichts als Schmerz
    sagt die Angst
    Es ist aussichtslos
    sagt die Einsicht
    Es ist was es ist
    sagt die Liebe

    Es ist lächerlich
    sagt der Stolz
    Es ist leichtsinnig
    sagt die Vorsicht
    Es ist unmöglich
    sagt die Erfahrung
    Es ist was es ist
    sagt die Liebe
Das ist Ostern.