Ouvertüre
1. Advent C: Lk 21,25-28. 34-36
I.
Ein islamischer Weiser fragte einmal einen Bekannten: Wie alt bist du, Mulla? – Der antwortete: Vierzig. – Darauf der Weise: Aber Mul-la, dasselbe hast du auch gesagt, als ich dich vor zwei Jahren nach deinem Alter fragte. – Jawohl, sagte Mulla, denn ich stehe zu dem, was ich gesagt habe.
II.
So ähnlich kommt manchen heute das vor, was in der Bibel steht und was die Kirchen verkünden: Immer das Gleiche und hoffungslos von vorgestern. Genau wie das, was heute beginnt z.B.: Geht das Jahr allmählich zu Ende, spielen sie wieder Advent. Als ob es im Ernst etwas zu erwarten gäbe. Und lesen Stücke aus der Bibel vor, die die meisten sowieso nicht verstehen; und die, die sich informiert glauben, gehen mit bedauerndem Achselzucken darüber hinweg: Zeichen an Sonne, Mond und Sternen, die Kräfte des Kosmos er-schüttert, einer, der auf einer Wolke kommt und so. Sonst noch was?
III.
Vielleicht aber denkt, wer so denkt, deswegen so, weil er oder sie nur gelten lässt, was er immer schon gesagt und gedacht hat – wie Mulla vorhin. Für ihn und sie bleibt alles für immer, wie es ist. Es ändert sich nichts mehr. Und sie, er erwartet nichts mehr. Was in der Bibel steht und was die Kirchen verkünden, ist dagegen von ge-radezu umstürzender Fortschrittlichkeit. Denn durch die ganze Schrift zieht sich von Abraham an ein Glutstrom der Erwartung und der Hoffnung: der Erwartung, dass Gott selbst all das Zweideutige in der Welt und im Leben eindeutig machen wird; und ein Glutstrom der Hoffnung, dass er des Menschen Leben, das oft so verwickelte und verwirrende, auf eine Bahn bringt, die nicht im Abgrund endet.
Unser Evangelium von heute gehört zu den Stellen der Bibel, wo dieser Glutstrom gleichsam zu lodern beginnt. Das geschah immer dann, wenn das Volk Israel mit seiner physischen Vernichtung Auge in Auge stand. Wenn Gott wirklich Gott ist, so glaubte Israel, lässt er das nicht geschehen. Er wird das Verhängnis aufbrechen und eine Zukunft schenken. Wir dürfen etwas erwarten.
In Jesu Worten an seine Jünger wird diese Erfahrung aus der Ge-schichte seines Volkes zu etwas, was für das Leben überhaupt gilt. Er will sagen: Das, was ist, ist nicht alles und ist nicht das Ganze. Das tritt genau immer dann hervor, wenn es für einen ums Ganze geht. Auch bei Jesus selbst war das so: Unser Evangelium sind die letzten Worte an seine Freunde, bevor die Leidensgeschichte be-ginnt.
Wenn es ums Ganze geht, also darum, was eigentlich trägt und wo ich stehe – und wenn man vor dieser Frage nicht die Augen schließt –, da wird spürbar, dass nichts, was es gibt rings um uns, wirklich trägt und verlässlich ist. Die Zeichen an Sonne, Mond und Sternen und das Toben und Donnern des Meeres, die deuten an, dass die ganze Welt keinen sicheren Boden und kein festes Dach über dem Kopf gewährt. Wie immer in der Bibel steht das, was in der Form äußerlich sichtbaren Geschehens erzählt wird, als Sinnbild für die inneren Dinge, um die es geht. Und das ist hier, in diesem Evangeli-um – so steht es ja da – die Angst. Wenn es ums Ganze geht, da spürt man, wie gefährlich nah wir in Wahrheit dem Chaos, dem To-huwabohu sind, das uns wie ein Untier Angst macht bis zur atemlo-sen Beklemmung. Manchmal erzählte mir einer in meiner früheren Seelsorgearbeit im Gefängnis, wie es sich anfühlt in der Nacht vor dem ersten Prozesstag, wenn sich alles innen drin zusammenzieht zu einem Eisklumpen und einem trotzdem der Schweiß in Bächen hinabrinnt.
Gar nicht so wenige von uns werden wohl auch aus anderen Situa-tionen wissen, wie das ist, wenn man wirklich Angst hat vor etwas, Angst um jemanden, auch um sich selbst vielleicht: Da fällt einem die Decke auf den Kopf; der Himmel mit den Sternen, das ganze Gewölbe unserer Ideale und Orientierungen bricht ein. Die Erde un-ter den Füßen scheint nicht mehr zu tragen, buchstäblich unterge-hen fühlen wir uns in der Angst wie in einem uferlosen, tosenden Meer, dem nichts Einhalt gebieten kann. Wenn wir Schuld auf uns geladen haben, wenn wir schwere Fehler begangen, einen lieben Menschen verloren oder schlimm versagt haben, einem Schicksals-schlag ohnmächtig ausgeliefert sind, da wird uns, als ob wir verge-hen müssten. Da trägt nichts mehr in der Welt, kein gutes Zureden, keine Selbsttäuschung und nicht einmal der liebste Mensch. Und nicht nur einmal im Leben stürzt Vielen die Welt ein, manchen gar so oft, dass er oder sie gar nicht mehr leben mag.
Das ist die Wahrheit über das Leben. Sie ist – für sich genommen – entsetzlich. Ihr stellen kann sich nur, wer den biblischen Glutstrom der Hoffnung gleichsam auch durch sich selbst hindurchgehen lässt. Wer mit den Vätern und Müttern unseres Glaubens von Abraham an auf Gott hofft, wie sie alle auf Gott gehofft haben. Wer von Gott er-wartet, was sie ihm zugetraut haben, dem geht hinter dem Zusam-menbruch seiner Welt und ihrer vermeintlich ehernen Gesetze et-was ganz und gar Neues auf: Das Bild und Gleichnis eines Gottes mit menschlichen Zügen – das meint der Menschensohn, der auf einer Wolke kommt –, das Bild und Gleichnis also eines Gottes, der uns auf Du und Du nahe ist. Wenn dir, Mensch, alles aus der Hand gleitet, wenn du nichts mehr hast, um dich selbst zu sichern und dir etwas vorzumachen; wenn du dich nicht betäubst durch irgendeine Form von Rausch und stattdessen wahr nimmst, wie es wirklich steht; und wenn du auch nicht mit der Geschäftigkeit des Alltags die Angst überspielst, sondern sie dir eingestehst, dann wird dir wie von selbst aufgehen, was allein dir Halt gibt und Boden unter den Fü-ßen: der Menschensohn. Menschensohn steht für Menschlichkeit. Wo nichts mehr in meiner Macht steht, bleibt mir, Mensch zu sein, wie Gott es gedacht hat.
Was Menschlichkeit meint, das wissen die Christinnen und Christen von dem Menschen aus Fleisch und Blut, den das Evangelium Men-schensohn nennt, weil er so ist, wie er ist: den Nazarener. Das Gott-vertrauen und die Güte, die ihn beseelten – sie haben gemacht, dass seine Menschlichkeit Menschen durch und durch ging, manchmal so sehr, dass einer durch seine bloße Gegenwart gesund geworden ist, wenn er zuvor von der Angst zerrissen gar nicht mehr er selber hat sein können. Jesu Gottvertrauen und Güte haben Menschen ermutigt, neu anzufangen mit Gott und mit sich selbst. Sie haben ihnen die Kraft gegeben, die Not des Lebens menschlich zu bestehen – und manchmal auch sogar die des Sterbens noch, dasjenige eines lieben Menschen, der von ihrer Seite gerissen wur-de, und das eigene dann, ohne in der Angst unterzugehen. Gott zu trauen wie Jesus es getan hat, und ein wenig auch nur von der Güte zu riskieren, für die er steht, das macht stark gegen das Chaos, das die Angst anrichtet in unseren Seelen. Und das lässt einen am Ende auch vor dem bestehen, an dem wir alle gemessen werden von Gott: am Menschensohn, an dem also, der Mensch war, wie Gott will, dass Menschen sind.
Eben darum kann der Jesus des heutigen Evangeliums sagen: Ge-rade dann, wenn alles rundherum zusammenfällt und uns schier erdrücken will –, gerade dann haben wir Grund uns erleichtert auf-zurichten. Wenn alles weg ist, was nur zum Schein Halt gab, dann tritt hervor, was wirklich Halt gibt: Gott selbst, weil er durch und durch ein Gott der Menschen ist.
IV.
Von daher aber wird nun auch von selbst verständlich, warum gera-de diese Worte Jesu am Beginn des Advent stehen. Diese Zeit er-öffnet das Kirchenjahr, weil mit all dem, was verkündet und gefeiert werden wird, nur die etwas anfangen können, die etwas erwarten von Gott. Advent halten heißt darum zuerst: den Blick einüben dafür, wie vorläufig, wie zerbrechlich alles ist, worauf wir zu setzen pfle-gen. Und: hoffen lernen. Hoffen, dass hinter allem, was so brüchig ist, einer steht, der bleibt, und der solches Dasein für uns zusagt auf eine Weise, die wir verstehen und die uns überzeugt.
Wäre aber nicht das Überzeugendste, wenn dieser Gott selber einer von uns würde und durch sein eigenes Menschenleben bezeugte, dass die Hoffnung auf Gott nicht vergeblich ist? Und wenn er’s schon längst geworden wäre? Dann hülfe uns das Hoffnung-Einüben, dies zu erkennen. Bald werden wir es wieder erzählt be-kommen in den Geschichten von der Geburt des Menschenkindes, in dem der Menschensohn einer von uns geworden ist, um uns auf Augenhöhe nahe zu bringen, was es bedeutet, Mensch zu sein. Darum steht das Evangelium, das sein Kommen verheißt, am Be-ginn der Zeit, in der wir uns auf das Geheimnis des Menschwerdens vorbereiten.
Und das sinnenfällige Zeichen dieser Tage – der Adventskranz – macht vielfältig sichtbar, welche Hoffnung der Glaube wagen darf: Der Kreis, der nicht Anfang und Ende kennt – so treu ist Gott, immer und ohne Ende. Der Kranz ist aus grünen Zweigen gewunden, Le-bendiges inmitten der toten Winterzeit – auch da, wo alles vorbei scheint, gibt es einen neuen Aufbruch. Je länger wir dem Kommen des Herrn entgegen warten, desto mehr Kerzen entzünden wir – desto heller wird es um uns, Sinnbild für das, was innen geschehen will. Und die farbigen Bänder am Kranz lassen ahnen, dass dem Christen trotz der Not, die sein Leben treffen mag, Freude kein Fremdwort ist. Denn in der Hoffnung lebt er. Und Zukunft hat er. Gott selber ist sie. Gesegneten Advent!
Ein islamischer Weiser fragte einmal einen Bekannten: Wie alt bist du, Mulla? – Der antwortete: Vierzig. – Darauf der Weise: Aber Mul-la, dasselbe hast du auch gesagt, als ich dich vor zwei Jahren nach deinem Alter fragte. – Jawohl, sagte Mulla, denn ich stehe zu dem, was ich gesagt habe.
II.
So ähnlich kommt manchen heute das vor, was in der Bibel steht und was die Kirchen verkünden: Immer das Gleiche und hoffungslos von vorgestern. Genau wie das, was heute beginnt z.B.: Geht das Jahr allmählich zu Ende, spielen sie wieder Advent. Als ob es im Ernst etwas zu erwarten gäbe. Und lesen Stücke aus der Bibel vor, die die meisten sowieso nicht verstehen; und die, die sich informiert glauben, gehen mit bedauerndem Achselzucken darüber hinweg: Zeichen an Sonne, Mond und Sternen, die Kräfte des Kosmos er-schüttert, einer, der auf einer Wolke kommt und so. Sonst noch was?
III.
Vielleicht aber denkt, wer so denkt, deswegen so, weil er oder sie nur gelten lässt, was er immer schon gesagt und gedacht hat – wie Mulla vorhin. Für ihn und sie bleibt alles für immer, wie es ist. Es ändert sich nichts mehr. Und sie, er erwartet nichts mehr. Was in der Bibel steht und was die Kirchen verkünden, ist dagegen von ge-radezu umstürzender Fortschrittlichkeit. Denn durch die ganze Schrift zieht sich von Abraham an ein Glutstrom der Erwartung und der Hoffnung: der Erwartung, dass Gott selbst all das Zweideutige in der Welt und im Leben eindeutig machen wird; und ein Glutstrom der Hoffnung, dass er des Menschen Leben, das oft so verwickelte und verwirrende, auf eine Bahn bringt, die nicht im Abgrund endet.
Unser Evangelium von heute gehört zu den Stellen der Bibel, wo dieser Glutstrom gleichsam zu lodern beginnt. Das geschah immer dann, wenn das Volk Israel mit seiner physischen Vernichtung Auge in Auge stand. Wenn Gott wirklich Gott ist, so glaubte Israel, lässt er das nicht geschehen. Er wird das Verhängnis aufbrechen und eine Zukunft schenken. Wir dürfen etwas erwarten.
In Jesu Worten an seine Jünger wird diese Erfahrung aus der Ge-schichte seines Volkes zu etwas, was für das Leben überhaupt gilt. Er will sagen: Das, was ist, ist nicht alles und ist nicht das Ganze. Das tritt genau immer dann hervor, wenn es für einen ums Ganze geht. Auch bei Jesus selbst war das so: Unser Evangelium sind die letzten Worte an seine Freunde, bevor die Leidensgeschichte be-ginnt.
Wenn es ums Ganze geht, also darum, was eigentlich trägt und wo ich stehe – und wenn man vor dieser Frage nicht die Augen schließt –, da wird spürbar, dass nichts, was es gibt rings um uns, wirklich trägt und verlässlich ist. Die Zeichen an Sonne, Mond und Sternen und das Toben und Donnern des Meeres, die deuten an, dass die ganze Welt keinen sicheren Boden und kein festes Dach über dem Kopf gewährt. Wie immer in der Bibel steht das, was in der Form äußerlich sichtbaren Geschehens erzählt wird, als Sinnbild für die inneren Dinge, um die es geht. Und das ist hier, in diesem Evangeli-um – so steht es ja da – die Angst. Wenn es ums Ganze geht, da spürt man, wie gefährlich nah wir in Wahrheit dem Chaos, dem To-huwabohu sind, das uns wie ein Untier Angst macht bis zur atemlo-sen Beklemmung. Manchmal erzählte mir einer in meiner früheren Seelsorgearbeit im Gefängnis, wie es sich anfühlt in der Nacht vor dem ersten Prozesstag, wenn sich alles innen drin zusammenzieht zu einem Eisklumpen und einem trotzdem der Schweiß in Bächen hinabrinnt.
Gar nicht so wenige von uns werden wohl auch aus anderen Situa-tionen wissen, wie das ist, wenn man wirklich Angst hat vor etwas, Angst um jemanden, auch um sich selbst vielleicht: Da fällt einem die Decke auf den Kopf; der Himmel mit den Sternen, das ganze Gewölbe unserer Ideale und Orientierungen bricht ein. Die Erde un-ter den Füßen scheint nicht mehr zu tragen, buchstäblich unterge-hen fühlen wir uns in der Angst wie in einem uferlosen, tosenden Meer, dem nichts Einhalt gebieten kann. Wenn wir Schuld auf uns geladen haben, wenn wir schwere Fehler begangen, einen lieben Menschen verloren oder schlimm versagt haben, einem Schicksals-schlag ohnmächtig ausgeliefert sind, da wird uns, als ob wir verge-hen müssten. Da trägt nichts mehr in der Welt, kein gutes Zureden, keine Selbsttäuschung und nicht einmal der liebste Mensch. Und nicht nur einmal im Leben stürzt Vielen die Welt ein, manchen gar so oft, dass er oder sie gar nicht mehr leben mag.
Das ist die Wahrheit über das Leben. Sie ist – für sich genommen – entsetzlich. Ihr stellen kann sich nur, wer den biblischen Glutstrom der Hoffnung gleichsam auch durch sich selbst hindurchgehen lässt. Wer mit den Vätern und Müttern unseres Glaubens von Abraham an auf Gott hofft, wie sie alle auf Gott gehofft haben. Wer von Gott er-wartet, was sie ihm zugetraut haben, dem geht hinter dem Zusam-menbruch seiner Welt und ihrer vermeintlich ehernen Gesetze et-was ganz und gar Neues auf: Das Bild und Gleichnis eines Gottes mit menschlichen Zügen – das meint der Menschensohn, der auf einer Wolke kommt –, das Bild und Gleichnis also eines Gottes, der uns auf Du und Du nahe ist. Wenn dir, Mensch, alles aus der Hand gleitet, wenn du nichts mehr hast, um dich selbst zu sichern und dir etwas vorzumachen; wenn du dich nicht betäubst durch irgendeine Form von Rausch und stattdessen wahr nimmst, wie es wirklich steht; und wenn du auch nicht mit der Geschäftigkeit des Alltags die Angst überspielst, sondern sie dir eingestehst, dann wird dir wie von selbst aufgehen, was allein dir Halt gibt und Boden unter den Fü-ßen: der Menschensohn. Menschensohn steht für Menschlichkeit. Wo nichts mehr in meiner Macht steht, bleibt mir, Mensch zu sein, wie Gott es gedacht hat.
Was Menschlichkeit meint, das wissen die Christinnen und Christen von dem Menschen aus Fleisch und Blut, den das Evangelium Men-schensohn nennt, weil er so ist, wie er ist: den Nazarener. Das Gott-vertrauen und die Güte, die ihn beseelten – sie haben gemacht, dass seine Menschlichkeit Menschen durch und durch ging, manchmal so sehr, dass einer durch seine bloße Gegenwart gesund geworden ist, wenn er zuvor von der Angst zerrissen gar nicht mehr er selber hat sein können. Jesu Gottvertrauen und Güte haben Menschen ermutigt, neu anzufangen mit Gott und mit sich selbst. Sie haben ihnen die Kraft gegeben, die Not des Lebens menschlich zu bestehen – und manchmal auch sogar die des Sterbens noch, dasjenige eines lieben Menschen, der von ihrer Seite gerissen wur-de, und das eigene dann, ohne in der Angst unterzugehen. Gott zu trauen wie Jesus es getan hat, und ein wenig auch nur von der Güte zu riskieren, für die er steht, das macht stark gegen das Chaos, das die Angst anrichtet in unseren Seelen. Und das lässt einen am Ende auch vor dem bestehen, an dem wir alle gemessen werden von Gott: am Menschensohn, an dem also, der Mensch war, wie Gott will, dass Menschen sind.
Eben darum kann der Jesus des heutigen Evangeliums sagen: Ge-rade dann, wenn alles rundherum zusammenfällt und uns schier erdrücken will –, gerade dann haben wir Grund uns erleichtert auf-zurichten. Wenn alles weg ist, was nur zum Schein Halt gab, dann tritt hervor, was wirklich Halt gibt: Gott selbst, weil er durch und durch ein Gott der Menschen ist.
IV.
Von daher aber wird nun auch von selbst verständlich, warum gera-de diese Worte Jesu am Beginn des Advent stehen. Diese Zeit er-öffnet das Kirchenjahr, weil mit all dem, was verkündet und gefeiert werden wird, nur die etwas anfangen können, die etwas erwarten von Gott. Advent halten heißt darum zuerst: den Blick einüben dafür, wie vorläufig, wie zerbrechlich alles ist, worauf wir zu setzen pfle-gen. Und: hoffen lernen. Hoffen, dass hinter allem, was so brüchig ist, einer steht, der bleibt, und der solches Dasein für uns zusagt auf eine Weise, die wir verstehen und die uns überzeugt.
Wäre aber nicht das Überzeugendste, wenn dieser Gott selber einer von uns würde und durch sein eigenes Menschenleben bezeugte, dass die Hoffnung auf Gott nicht vergeblich ist? Und wenn er’s schon längst geworden wäre? Dann hülfe uns das Hoffnung-Einüben, dies zu erkennen. Bald werden wir es wieder erzählt be-kommen in den Geschichten von der Geburt des Menschenkindes, in dem der Menschensohn einer von uns geworden ist, um uns auf Augenhöhe nahe zu bringen, was es bedeutet, Mensch zu sein. Darum steht das Evangelium, das sein Kommen verheißt, am Be-ginn der Zeit, in der wir uns auf das Geheimnis des Menschwerdens vorbereiten.
Und das sinnenfällige Zeichen dieser Tage – der Adventskranz – macht vielfältig sichtbar, welche Hoffnung der Glaube wagen darf: Der Kreis, der nicht Anfang und Ende kennt – so treu ist Gott, immer und ohne Ende. Der Kranz ist aus grünen Zweigen gewunden, Le-bendiges inmitten der toten Winterzeit – auch da, wo alles vorbei scheint, gibt es einen neuen Aufbruch. Je länger wir dem Kommen des Herrn entgegen warten, desto mehr Kerzen entzünden wir – desto heller wird es um uns, Sinnbild für das, was innen geschehen will. Und die farbigen Bänder am Kranz lassen ahnen, dass dem Christen trotz der Not, die sein Leben treffen mag, Freude kein Fremdwort ist. Denn in der Hoffnung lebt er. Und Zukunft hat er. Gott selber ist sie. Gesegneten Advent!