MPZ Fresken St. Anton: Meine erste Bibel in Bildern (My first bible in pictures)

Besuch der Studenten aus Tamale/Ghana in St. Anton-Regensburg

I
Als ich vorletztes und letztes Jahr Ihre Heimatbistümer im Norden Gha-nas besuchte, habe ich dort in vielen Gemeinden die Heilige Messe mit-gefeiert, habe Kirchen kennen gelernt, in denen einige von Ihnen Christ geworden und herangewachsen sind. Niemals hätte ich mir damals träumen lassen, dass so bald danach auch das genau Umgekehrte pas-sieren wird: dass Sie meine bayerische Heimatgemeinde besuchen und dass wir in dieser Kirche Eucharistie feiern würden. Mich bewegt das sehr, denn in dieser Kirche bin ich groß geworden. Seit ich mich erinnern kann, also seit etwa meinem vierten Lebensjahr – das ist 48 Jahre her – habe ich diese Kirche besucht. Alle Pfarrer und Kapläne, die hier gear-beitet haben, habe ich gekannt. Hier habe ich die erste Hl. Kommunion empfangen und 1984 – vor 23 Jahren – erstmals der Eucharistie vorge-standen.

II
In dieser Kirche bin ich so zu Hause wie in meiner Wohnung daheim. Aber mehr noch: Ich habe dieses Gotteshaus von Anfang an geliebt – vor allem wegen seiner Bilder. Diese Kirche war meine erste Bibel noch bevor ich lesen konnte, gerade so wie im Mittelalter, als die meisten Menschen in Europa nicht lesen und schreiben konnten, die Mosaiken, die Skulpturen und Fresken für die Leute die einzige Bibel war. Alles Wesentliche, was den Glauben einer Christin, eines Christen ausmacht, findet sich in den Bildern dieser Kirche: Hier auf der rechten, auf der lan-gen Wand sehen wir die drei großen Wegmarken des Lebens Jesu, Ge-burt, Karfreitag, Auferstehung. Hoch interessant, dass der Künstler – er hieß Georg Winkler – in alle drei Szenen auf gleiche Weise das Kreuz eingezeichnet hat: schon die Krippe steht gleichsam in seinem Schatten und auch der Glanz und Sieg von Ostern überblendet es nicht. Gott selbst lässt sich von Leid und Tod berühren, darum wird er Mensch – und beides wird nicht vergessen, sondern mit hinein genommen in das ewige Osterfest.

III
Die Frage von Leid und Tod und dahinter noch mehr die Frage nach dem Bösen hat die Menschen damals, als diese Kirche gebaut und die Bilder gemalt wurden, tief bewegt. Es war in den Jahren von 1924-1929, also in der kurzen Epoche zwischen dem ersten und dem zweiten Welt-krieg, den beiden größten Katastrophen Europas in der jüngeren Ver-gangenheit. Und deshalb wird auf der gegenüber liegenden Seite die gesamte Wand von einem einzigen Thema beherrscht: dem Gericht Got-tes, wie es in der Offenbarung des Johannes geschildert wird. Gut und böse sind nicht gleichgültig, sagt das Bild mit den Gerichtsszenen hier vorne – Bilder, vor denen ich mich manchmal als Kind fast gefürchtet habe. Aber zugleich zeigt es uns, dass ganz, ganz viele Menschen durch das Tor des Himmels treten dürfen: Das ewige Leben ist nicht Sa-che von Wenigen: Eine große Zahl, die niemand zählen kann, wird ans Ziel kommen. Im Glauben dürfen wir hoffen, dass wir auch dabei sind. Und ganz wichtig: Auch die Toten sind nicht vergessen. Darum hat der Maler in sein Bild auch die damals jüngsten Opfer der Geschichte hinein gemalt: die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs. Das ist es, was wir heute in den theologischen Diskussionen „Inkulturation“ nennen: dass die Überlieferung des Glaubens in Gestalten von heute übersetzt wird, und so das Damals und Jetzt und das Künftige zu einer Einheit in Gott zusammengeschlossen werden.

IV
Hier vorne, am Bogen zwischen dem Kirchenschiff und dem Presbyteri-um, dem Altarraum, hat der Künstler das Thema „Himmlisches Jerusa-lem“ aus dem Gerichtsbild nochmals aufgenommen und uns gleichsam als Ziel vor Augen gestellt. Dieses neue Jerusalem besteht im Grunde aus lauter Heiligen: Päpste und Bischöfe, Ordensleute und Laien, Män-ner und Frauen. Sie alle sind Jesus nachgefolgt und haben ihr Leben dadurch vor Gott gültig gemacht. Und wenn sie so vor uns stehen, sind sie so etwas wie eine Einladung in Fleisch und Blut, die uns sagt: Kommt doch auch mit!

V
Die beiden Seitenwände im Presbyterium dann verweisen auf das, was uns schon eine erste Vorahnung des neuen Jerusalem schenken will, die Feier der Eucharistie als Quelle und Mittelpunkt der Gemeinschaft der Erlösten. Der Künstler hat dazu das damals einzige Hochgebet der Messe, den heutigen Ersten Kanon, gemalt, auf der einen Seite die Vor-ausbilder der Hingabe Jesu aus dem Alten Testament: die Gaben des gerechten Abel, das Opfer unseres Vaters Abraham, das reine Opfer des Hohenpriesters Melchisedech, wie es im Text des Messbuchs bis heute heißt. Genau gegenüber dann die Vertiefung all dieser Szenen und Gesten im Abendmahl, gemalt ganz im Stil der Liturgie der Zeit, da das Bild entstand: der sorgfältig gedeckte Tisch, Jesus im Messgewand, und die Jünger empfangen kniend die Kommunion – Inkulturation pur.

VI

Und dann natürlich der Fluchtpunkt, auf den alles zuläuft und von dem her sich alles andere erst eigentlich versteht: In der Apsis, überlebens-groß, nicht der Richter, nicht der Herrscher, nicht der Triumphator, son-dern der Christus Immanuel – der Gott mit uns: die Hände weit geöffnet versinnbilden die Worte, die darunter stehen: Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid: Ich will euch erquicken! In der Schöpfungs-geschichte des Alten Testaments ist das Ende und die Krone der Schöp-fung – der Sabbat: Tag des Ausruhens und Zeit des Festes. Mit diesem Wort da oben, einer Einladung, macht Jesus in Person sich zum Sabbat für uns: In ihm finden wir, was wir und alle Geschöpfe ersehnen und su-chen.

VII
Das ist die Botschaft dieser steinernen Bibel aus Bildern. Im Querschiff hinten kommen noch Szenen aus dem Leben des Hl. Antonius von Pa-dua hinzu, dem Patron dieser Kirche: Sie zeigen, wie er die Einladung des Herrn für sich verstanden und sein persönliches Leben gleichsam zum Bilderbuch des Evangeliums gemacht hat. Und jede und jeder von uns ist eingeladen, eben dies an dem Ort und der Situation zu tun, wo sie oder er das Leben heute zu bestehen haben: hier in Regensburg, in Münster oder in Tamale. Es ist der eine Herr, der alle ruft. Und wir sind über alle Grenzen der Sprachen und der Kultur hinweg geistliche Ge-schwister, die gemeinsam dankbar sind für das, was ihnen der Herr ver-sprochen hat. Das tun wir jetzt.


My first bible in pictures
I
During my visit to your home dioceses in Northern Ghana last year and the year before, I concelebrated the Holy Mass in a number of congrega-tions and saw the churches in which some of you had become Christians and grown up. Never would I have expected that the reverse might hap-pen only shortly afterwards: that you would come to my Bavarian home parish and that we would celebrate the Eucharist here, in this church. I am deeply moved by this, for it was in this church that I grew up. As far as I can think back, i.e. since I was about four years old – that was 48 years ago –, I have been going to this church. I have been acquainted with all the parish priests and chaplains working here. And it was here that I received the First Holy Communion and that, back in 1984, I led the Eucharist for the first time.

II
This church is no less my home than is the apartment I live in. But what is more, I have been in love with this house of the Lord right from the beginning – most notably because of its images. This church was my first Bible before I was able to read: just as mosaics, sculptures and frescoes used to be the only bible generally available in the Middle Ages, when most people in Europe were illiterate. Everything that is essential to a Christian’s faith is to be found in the images of this church. Here, on the right-hand side, on the larger one, we see the three major stations of Jesus’ life: his birth, Good Friday and his resurrection. It is highly inter-esting that the artist – his name was Georg Winkler – has in the same fashion added a drawing of the Cross to each of the three scenes: It is as though it already cast a cloud over the crib, and not even the bright-ness and victory of Easter disperse it. God allows himself to be touched by suffering and death – and neither is forgotten; rather, both are also made part of the eternal Easter Feast.

III
It was the question of suffering and death and, behind it, that of evil which vexed the people at the time when this church was built and when its images were drawn: It was the time of the years between 1924 and 1929, the short interlude between World War I and II, the two major ca-tastrophes of Europe’s more recent past. Hence, the whole wall on the opposite side is characterized by one prevalent topic: God’s judgement, as it is depicted in the Revelation of John. Good and evil make a differ-ence the image points out with the judgement scenes here in the fore-ground – images of which I was sometimes almost afraid as a boy. At the same time, however, it shows us that many, many people may enter through the gate of heaven: Eternal life is not a few people’s privilege: So great a number that no-one can count them will actually arrive at their final destination. Faith allows us to cherish the hope that we, too, will be among them. And it is important to note that the dead are not forgotten either: For this reason, the painter has inserted drawings of the more re-cent victims of the history of his day: the fallen soldiers of World War I. That is what we term “inculturation” in contemporary theological debates: translating the tradition of faith into today’s modes of expression, thus connecting the past, the present and the future and making it a unity in God.

IV
Here at the front, near the arc between the nave and the presbytery, the chancel, the artist has once again taken up the topic of “Heavenly Jeru-salem” from the judgement scene, presenting it to us as our aim and destination, so to say: This new Jerusalem in fact consists of sundry saints: popes and bishops, members of orders and laymen, men and women. They all have followed Jesus, thus validating their lives before God. And so, standing before our very eyes like this, they are in a certain sense an invitation in flesh and blood, saying to us: Do join us, too!

V
The two side walls of the presbytery point to that which means to give us a first inkling of the new Jerusalem: the celebration of the Eucharist as the source and centre of the community of the redeemed. To that end, the artist has painted the only eucharistic prayer that there was at that time, today’s First Canon: on the one side, the typological images of Je-sus’ sacrifice: the gifts of the just Abel, the offerings of our father Abra-ham, the immaculate offering of the High Priest Melchisdech, as the text of the missal reads up to this day. Exactly opposite, you see a depiction deepening all these scenes and gestures of the Last Supper: Everything is painted in accordance with the style of the liturgy of the time the paint-ing was made: a carefully-laid table, Jesus wearing liturgical vestment, and the disciples kneeling down and receiving the communion – pure inculturation.

VI
And then comes the vanishing point, of course, to which everything else is directed and by which everything else can really be made intelligible: In the apsis, larger-than-life, there is no judge, no sovereign, nor some-one triumphant, but Christ Immanuel – the God-with-us: His widely-opened hands are a symbol of the words below them: “Come unto me, all ye that labour and are heavy laden, and I will give you rest” (Mt. 12,28). In the creation account of the Old Testament, the creation’s end and crowning glory is – the Sabbath: day of rest and festive time. With the word quoted above, which is an invitation, Jesus in person makes himself the Sabbath for us: It is in him that we find whatever all creatures and we ourselves long for.

VII
This is the message conveyed by the stone Bible made up of images. In the transept behind, we find scenes taken from the life of Saint Antony of Padua, the patron of this church: They depict how he grasped the Lord’s invitation for himself, making, so to speak, his own life a picture book of the gospel. And every one of us is invited to do so in the place or situa-tion where he or she has to master his or her life: here in Regensburg, in Münster or in Tamale. It is the one Lord who calls us all. And across all boundaries of language and culture we are brothers and sisters in spirit, joined in gratitude for that which the Lord has promised us. And that is what we will now do.