Jesu Ewigkeit
32. Sonntag C: Lk 20, 27-38
I.
Vor eineinhalb Wochen – mit Allerheiligen und Allerseelen – hat die Zeit des Jahres begonnen, da wir fast wie von selbst mehr als sonst an die Toten gedenken, ans Sterben und wohl auch an das eigene Ende einmal. Die Natur draußen stößt dazu an. Die Ernten sind eingebracht, die Blätter fallen, Bäume stehen kahl. Nebel ziehen darüber hin. Da kommen dann so Fragen: Was wird aus denen geworden sein, die mir nah und wichtig waren? Was wird von mir einmal bleiben? Und noch bohrender: Was wird aus mir einmal werden?
II.
Der Dichter Ernst Wichert schrieb einmal: Mitunter, wenn ich mit Vorstellungen spiele, denke ich mir, dass jedes Leben sich darstellen ließe durch die Aufreihung der Kleider, die man getragen hat. Eine lange Stange in einem großen leeren Raum, und auf ihr hingen am Beginn das erste Kinderkleid und am Ende das Totenhemd. Und dazwischen käme eins nach dem anderen, was uns einmal bekleidet hat... Und darunter stünden alle Schuhe, die wir abgetragen haben, still nebeneinander, und unsichtbar hinge über ihnen die Wolke des Staubes, die ihren Erdenweg bedeckt hat.
III.
Man muss dieses Bild des Dichters nur wirklich einmal nachvollziehen: der leere Raum, die lange Stange – und auf ihr der Reihe nach alle Kleider meines Lebens. Als Kind, vom ersten Schultag, der Erstkommunion, die Arbeitsgewänder, das Hochzeitskleid, alles, was ich bisher getragen habe. Da fängt man zu ahnen an, was alles schon zum Leben gehört hat, wie vielgestaltig es war, auch wenn vielleicht im Grunde nur ganz selten etwas Besonderes geschah. Und ganz von selber wird dieses Gewicht an gelebtem Leben, das einem da vor Augen tritt, die Frage aufwerfen: Was war und ist das alles im Letzten wert? Wird es einfach zerfallen und verwehen? Oder bleibt etwas davon? Und was und wo?
IV.
An Antworten darauf fehlte es noch nie, schon gar nicht heute. Bücher mit Berichten von Leuten, die angeblich schon die Schwelle des Todes überschritten hatten – bei einem Unfall z. B. – und dann gerade noch ins Leben zurückkamen, sind Bestseller. Die Lehre von der Seelenwanderung macht sich bei uns im Westen in einer – verglichen mit ihrem Ursprung im Osten – völlig verdrehten, missverstandenen Weise breit. Die Gläubigen dort hoffen nicht auf eine immer neue Wiederkehr, um einem Ende zu entgehen, sondern nehmen den Durchgang durch ein weiteres Dasein als Gericht und Zeit der Läuterung auf sich, deren Ende sie ersehnen, um endlich ins Alleine, das leidfreie Nichts einzugehen. Auch in der christlichen Volksfrömmigkeit rumort viel Spekuliertes, was das Ende und die Ewigkeit betrifft.
V.
Seltsamerweise nimmt sich das, was in der Bibel darüber steht, im Vergleich zu dem, was Menschen so alles glauben, geradezu spröde aus. Schon für das Alte Testament gilt das, das erst an seinen späten Rändern ausdrücklich auf diese Frage des jenseits zu sprechen kommt. Zum Frappierendsten aber gehört dabei das heutige Evangelium. Da gerät Jesus mit einigen Sadduzäern aneinander, besser gesagt, diese suchen ihn lächerlich zu machen. Sadduzäer waren in der Regel wohlhabende Leute. Sie stellten auch die offiziellen religiösen Wortführer. Klar, dass einer solchen Schicht nicht sonderlich an Reformen und Erneuerung gelegen war. Das ist heute noch genauso, auch in der Kirche. Sie hatten keinerlei Interesse an der Erneuerung und Vertiefung des Glaubens, die die Pharisäer forderten, ein Anliegen, das Jesus vorbehaltlos teilte, ja verschärfte. Darum hatten die Sadduzäer allen Grund, diesen aufmüpfigen Laienprediger aus der Galiläischen Provinz da in die Schranken zu weisen.
Sie hatten wohl gehört, dass Jesus – wie die Pharisäer – davon sprach, dass mit dem Tod nicht einfach alles aus ist, sondern der Mensch in seinem irdischen Ende vor Gott tritt, um von Gott in eine Unvergänglichkeit hineingeholt zu werden. Was freilich auch heißt, dass die Weise, wie einer hier lebt, dort nicht gleichgültig sein wird. Das war den Sadduzäern unangenehm. Darum suchen sie, Jesu Rede von einer Auferstehung lächerlich zu machen – und zwar mit einer raffinierten Methode: Sie konstruieren aus einem geltenden Gesetz, das ja auch Jesus bejaht, einen Widerspruch zu dieser Botschaft.
Dieses Gesetz lautet: Wenn ein Mann, der verheiratet ist, stirbt, ohne Kinder zu hinterlassen, dann ist sein nächster männlicher Verwandter verpflichtet, die Frau zu heiraten, um dem Verstorbenen stellvertretend Nachkommenschaft zu sichern. Eine Vorschrift, die mit dem dauernden Bedrohtsein von Israels Existenz zu tun hatte und in diesem Zusammenhang durchaus sinnvoll war, ja sogar Ausdruck des Vertrauens, dass Gott sein Volk nicht werde untergehen lassen. Unter dem Vorzeichen dieses Gesetzes nun spielen die Sadduzäer einen Fall durch, der durchaus skurril anmutet in seiner Überzogenheit. Der älteste von sieben Brüdern heiratet, stirbt ohne Nachkommen, der zweite tritt in seine Pflicht ein, stirbt auch, dann der dritte und so fort bis zum siebten. Also, Rabbi Jesus, wer wird denn dann mit der Frau in der Welt der Auferstehung verheiratet sein, wenn alle sieben es rechtmäßig auf Erden waren?
VI.
Mit Jesu Antwort hatten die Sadduzäer gewiss nicht gerechnet. Sie heißt nämlich: Mit gar keinem wird sie verheiratet sein. Weil es in der Ewigkeit kein Heiraten nicht mehr gibt – und auch kein Sterben. Oder anders gesagt: Sterben und in die Ewigkeit eingehen heißt nicht, gleichsam die Pferde wechseln und anderswo unter anderen, nämlich erleichterten Bedingungen weitermachen wie bisher – so spottete schon der Philosoph Arthur Schopenhauer einmal. So radikal verschieden Gott von der Welt ist, so verschieden ist das Bleiben vor ihm von dem Sein auf Erden hier. Nach dem Tod kommt nichts, sagt Jesus, nichts, was Leben heißt im Sinn Des Lebens dieser Welt, die dem Gesetz vom Werden und Vergehen, Fruchtbarkeit und Untergang folgt. Alles weitere Spekulieren erübrigt sich. Es gibt keinen Beweis für die Ewigkeit und keinen gegen sie, den Menschen von sich aus führen könnten.
Aber Jesus fügt hinzu: Einen Beweis, wenn man so sagen darf, - einen gibt es doch, einen für die Auferstehung und die Ewigkeit: Gott selbst. Dazu erinnert Jesus seine Widersacher an die Geschichte vom brennenden Dornbusch. In dieser Geschichte trägt Gott einen seltsamen Namen: Er heißt dort nicht „Höchstes Wesen“, „König“ oder „Urgrund“, sondern Mose nennt ihn: „Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.“ Also: In den Namen Gottes gehören Menschen hinein: Menschen, die Gott suchten, sich bei ihm bargen, ihr Leben erwanderten in Glück und Not, Freude und Schuldigwerden sogar. Aber immer mit IHM. Sie alle hatten sich während ihrer Lebtage ganz in Gottes Hand gegeben. Darum steht ihr Leben auch jetzt, nach seinem irdischen Ende immer noch bei Gott, obwohl sie menschlich gesehen längst tot sind. Alle Geschichten ihres Lebens sind bei ihm aufgehoben – so sehr, dass Gott sein innerstes Wesen aussprechen kann durch die Namen dieser Menschen, weil er sich selbst durch ihre Bereitschaft dazu hat in ihre Geschichten verstricken, sich ihrem Portrait gleichsam einzeichnen können. Wie sie gelebt, was sie erlebt haben, verrät etwas davon, wie und wer Gott ist. Und wenn Menschen so in das Geheimnis Gottes hinein gehören können, will Jesus sagen, dann sind sie trotz ihres irdischen Todes so ewig wie dieser Gott ewig ist, wenn er denn Gott ist. Vor Gott sind sie alle lebendig, weil er, der Ewige, der Unvergängliche, sie in sein Innerstes hat hinein nehmen können. Die irdisch Lebenden und die Verstorbenen: lebendig in Gott – und nur dies.
Und natürlich ist es kein Zufall, dass Jesus im Disput mit den Sadduzäern gerade an die Dornbuschszene erinnert. Denn dort begann ja das Abenteuer des Auszugs aus Ägypten, aus dem Totenhaus der Sklaverei ins gelobte Land der Freiheit hinüber. Und dort fing an, was im Bundesschluss am Gottesberg gipfelte mit Gottes unbedingter Treue-Zusage. Wenn Gott Gott ist, heißt das unterm Strich, dann ist er das absolute Gegenteil von Nichtsein; das hat sich oft genug erwiesen auf den Wegen Israels. Und wenn sich dieser Gott mit dem Menschlein verbündet, mit dem zerbrechlichen und vergänglichen, dann geht es trotz und samt seiner Vergänglichkeit nicht einmal in seinem Ende unter. Wer an diesen Gott glaubt, lebt ewig, weil es für diesen Gott nichts Totes gibt und geben kann.
Das lehrt Jesus diejenigen, die ihm glauben, vom Jenseits zu denken. Es ist nicht irgendwo. Es ist nicht irgendwas. Und es ist kein zweites Leben ähnlich dem ersten. Sondern: Unser Jenseits ist – Gott selbst. Auch als Gestorbene bleiben wir mit allem, was wir getan und gelitten haben, bleibt unsere Lebensspur aus dieser Welt geborgen und bewahrt in ihm. Auch unser Sterben geschieht darum in seiner Hand, nicht außerhalb. Weil es ein solches Außerhalb bezogen auf Gott gar nicht geben kann. Darum dürfen wir bei aller Trauer, die menschlich ihr Recht hat, unsere Lieben getrost gehen lassen – und dem eigenen Ende mit Zuversicht entgegen gehen. Unser Evangelium heute ist das kühnste Wort, das je über Ende und Ewigkeit gesprochen wurde. Wer es annimmt, kann aufatmen.
Vor eineinhalb Wochen – mit Allerheiligen und Allerseelen – hat die Zeit des Jahres begonnen, da wir fast wie von selbst mehr als sonst an die Toten gedenken, ans Sterben und wohl auch an das eigene Ende einmal. Die Natur draußen stößt dazu an. Die Ernten sind eingebracht, die Blätter fallen, Bäume stehen kahl. Nebel ziehen darüber hin. Da kommen dann so Fragen: Was wird aus denen geworden sein, die mir nah und wichtig waren? Was wird von mir einmal bleiben? Und noch bohrender: Was wird aus mir einmal werden?
II.
Der Dichter Ernst Wichert schrieb einmal: Mitunter, wenn ich mit Vorstellungen spiele, denke ich mir, dass jedes Leben sich darstellen ließe durch die Aufreihung der Kleider, die man getragen hat. Eine lange Stange in einem großen leeren Raum, und auf ihr hingen am Beginn das erste Kinderkleid und am Ende das Totenhemd. Und dazwischen käme eins nach dem anderen, was uns einmal bekleidet hat... Und darunter stünden alle Schuhe, die wir abgetragen haben, still nebeneinander, und unsichtbar hinge über ihnen die Wolke des Staubes, die ihren Erdenweg bedeckt hat.
III.
Man muss dieses Bild des Dichters nur wirklich einmal nachvollziehen: der leere Raum, die lange Stange – und auf ihr der Reihe nach alle Kleider meines Lebens. Als Kind, vom ersten Schultag, der Erstkommunion, die Arbeitsgewänder, das Hochzeitskleid, alles, was ich bisher getragen habe. Da fängt man zu ahnen an, was alles schon zum Leben gehört hat, wie vielgestaltig es war, auch wenn vielleicht im Grunde nur ganz selten etwas Besonderes geschah. Und ganz von selber wird dieses Gewicht an gelebtem Leben, das einem da vor Augen tritt, die Frage aufwerfen: Was war und ist das alles im Letzten wert? Wird es einfach zerfallen und verwehen? Oder bleibt etwas davon? Und was und wo?
IV.
An Antworten darauf fehlte es noch nie, schon gar nicht heute. Bücher mit Berichten von Leuten, die angeblich schon die Schwelle des Todes überschritten hatten – bei einem Unfall z. B. – und dann gerade noch ins Leben zurückkamen, sind Bestseller. Die Lehre von der Seelenwanderung macht sich bei uns im Westen in einer – verglichen mit ihrem Ursprung im Osten – völlig verdrehten, missverstandenen Weise breit. Die Gläubigen dort hoffen nicht auf eine immer neue Wiederkehr, um einem Ende zu entgehen, sondern nehmen den Durchgang durch ein weiteres Dasein als Gericht und Zeit der Läuterung auf sich, deren Ende sie ersehnen, um endlich ins Alleine, das leidfreie Nichts einzugehen. Auch in der christlichen Volksfrömmigkeit rumort viel Spekuliertes, was das Ende und die Ewigkeit betrifft.
V.
Seltsamerweise nimmt sich das, was in der Bibel darüber steht, im Vergleich zu dem, was Menschen so alles glauben, geradezu spröde aus. Schon für das Alte Testament gilt das, das erst an seinen späten Rändern ausdrücklich auf diese Frage des jenseits zu sprechen kommt. Zum Frappierendsten aber gehört dabei das heutige Evangelium. Da gerät Jesus mit einigen Sadduzäern aneinander, besser gesagt, diese suchen ihn lächerlich zu machen. Sadduzäer waren in der Regel wohlhabende Leute. Sie stellten auch die offiziellen religiösen Wortführer. Klar, dass einer solchen Schicht nicht sonderlich an Reformen und Erneuerung gelegen war. Das ist heute noch genauso, auch in der Kirche. Sie hatten keinerlei Interesse an der Erneuerung und Vertiefung des Glaubens, die die Pharisäer forderten, ein Anliegen, das Jesus vorbehaltlos teilte, ja verschärfte. Darum hatten die Sadduzäer allen Grund, diesen aufmüpfigen Laienprediger aus der Galiläischen Provinz da in die Schranken zu weisen.
Sie hatten wohl gehört, dass Jesus – wie die Pharisäer – davon sprach, dass mit dem Tod nicht einfach alles aus ist, sondern der Mensch in seinem irdischen Ende vor Gott tritt, um von Gott in eine Unvergänglichkeit hineingeholt zu werden. Was freilich auch heißt, dass die Weise, wie einer hier lebt, dort nicht gleichgültig sein wird. Das war den Sadduzäern unangenehm. Darum suchen sie, Jesu Rede von einer Auferstehung lächerlich zu machen – und zwar mit einer raffinierten Methode: Sie konstruieren aus einem geltenden Gesetz, das ja auch Jesus bejaht, einen Widerspruch zu dieser Botschaft.
Dieses Gesetz lautet: Wenn ein Mann, der verheiratet ist, stirbt, ohne Kinder zu hinterlassen, dann ist sein nächster männlicher Verwandter verpflichtet, die Frau zu heiraten, um dem Verstorbenen stellvertretend Nachkommenschaft zu sichern. Eine Vorschrift, die mit dem dauernden Bedrohtsein von Israels Existenz zu tun hatte und in diesem Zusammenhang durchaus sinnvoll war, ja sogar Ausdruck des Vertrauens, dass Gott sein Volk nicht werde untergehen lassen. Unter dem Vorzeichen dieses Gesetzes nun spielen die Sadduzäer einen Fall durch, der durchaus skurril anmutet in seiner Überzogenheit. Der älteste von sieben Brüdern heiratet, stirbt ohne Nachkommen, der zweite tritt in seine Pflicht ein, stirbt auch, dann der dritte und so fort bis zum siebten. Also, Rabbi Jesus, wer wird denn dann mit der Frau in der Welt der Auferstehung verheiratet sein, wenn alle sieben es rechtmäßig auf Erden waren?
VI.
Mit Jesu Antwort hatten die Sadduzäer gewiss nicht gerechnet. Sie heißt nämlich: Mit gar keinem wird sie verheiratet sein. Weil es in der Ewigkeit kein Heiraten nicht mehr gibt – und auch kein Sterben. Oder anders gesagt: Sterben und in die Ewigkeit eingehen heißt nicht, gleichsam die Pferde wechseln und anderswo unter anderen, nämlich erleichterten Bedingungen weitermachen wie bisher – so spottete schon der Philosoph Arthur Schopenhauer einmal. So radikal verschieden Gott von der Welt ist, so verschieden ist das Bleiben vor ihm von dem Sein auf Erden hier. Nach dem Tod kommt nichts, sagt Jesus, nichts, was Leben heißt im Sinn Des Lebens dieser Welt, die dem Gesetz vom Werden und Vergehen, Fruchtbarkeit und Untergang folgt. Alles weitere Spekulieren erübrigt sich. Es gibt keinen Beweis für die Ewigkeit und keinen gegen sie, den Menschen von sich aus führen könnten.
Aber Jesus fügt hinzu: Einen Beweis, wenn man so sagen darf, - einen gibt es doch, einen für die Auferstehung und die Ewigkeit: Gott selbst. Dazu erinnert Jesus seine Widersacher an die Geschichte vom brennenden Dornbusch. In dieser Geschichte trägt Gott einen seltsamen Namen: Er heißt dort nicht „Höchstes Wesen“, „König“ oder „Urgrund“, sondern Mose nennt ihn: „Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.“ Also: In den Namen Gottes gehören Menschen hinein: Menschen, die Gott suchten, sich bei ihm bargen, ihr Leben erwanderten in Glück und Not, Freude und Schuldigwerden sogar. Aber immer mit IHM. Sie alle hatten sich während ihrer Lebtage ganz in Gottes Hand gegeben. Darum steht ihr Leben auch jetzt, nach seinem irdischen Ende immer noch bei Gott, obwohl sie menschlich gesehen längst tot sind. Alle Geschichten ihres Lebens sind bei ihm aufgehoben – so sehr, dass Gott sein innerstes Wesen aussprechen kann durch die Namen dieser Menschen, weil er sich selbst durch ihre Bereitschaft dazu hat in ihre Geschichten verstricken, sich ihrem Portrait gleichsam einzeichnen können. Wie sie gelebt, was sie erlebt haben, verrät etwas davon, wie und wer Gott ist. Und wenn Menschen so in das Geheimnis Gottes hinein gehören können, will Jesus sagen, dann sind sie trotz ihres irdischen Todes so ewig wie dieser Gott ewig ist, wenn er denn Gott ist. Vor Gott sind sie alle lebendig, weil er, der Ewige, der Unvergängliche, sie in sein Innerstes hat hinein nehmen können. Die irdisch Lebenden und die Verstorbenen: lebendig in Gott – und nur dies.
Und natürlich ist es kein Zufall, dass Jesus im Disput mit den Sadduzäern gerade an die Dornbuschszene erinnert. Denn dort begann ja das Abenteuer des Auszugs aus Ägypten, aus dem Totenhaus der Sklaverei ins gelobte Land der Freiheit hinüber. Und dort fing an, was im Bundesschluss am Gottesberg gipfelte mit Gottes unbedingter Treue-Zusage. Wenn Gott Gott ist, heißt das unterm Strich, dann ist er das absolute Gegenteil von Nichtsein; das hat sich oft genug erwiesen auf den Wegen Israels. Und wenn sich dieser Gott mit dem Menschlein verbündet, mit dem zerbrechlichen und vergänglichen, dann geht es trotz und samt seiner Vergänglichkeit nicht einmal in seinem Ende unter. Wer an diesen Gott glaubt, lebt ewig, weil es für diesen Gott nichts Totes gibt und geben kann.
Das lehrt Jesus diejenigen, die ihm glauben, vom Jenseits zu denken. Es ist nicht irgendwo. Es ist nicht irgendwas. Und es ist kein zweites Leben ähnlich dem ersten. Sondern: Unser Jenseits ist – Gott selbst. Auch als Gestorbene bleiben wir mit allem, was wir getan und gelitten haben, bleibt unsere Lebensspur aus dieser Welt geborgen und bewahrt in ihm. Auch unser Sterben geschieht darum in seiner Hand, nicht außerhalb. Weil es ein solches Außerhalb bezogen auf Gott gar nicht geben kann. Darum dürfen wir bei aller Trauer, die menschlich ihr Recht hat, unsere Lieben getrost gehen lassen – und dem eigenen Ende mit Zuversicht entgegen gehen. Unser Evangelium heute ist das kühnste Wort, das je über Ende und Ewigkeit gesprochen wurde. Wer es annimmt, kann aufatmen.