Hierarchie auf evangelisch
23. Sonntag C: LK 14,25-33
I
Mehr als 1900 Jahre Geschichte hat die Kirche hinter sich. Zu dieser Geschichte gehört viel Licht. Zu ihr gehört viel Schatten. Aber in einem gleichen sich die hellen und dunklen Epochen der Kirchengeschichte: Sie sind eine einzige Geschichte der Verlegenheit vor den Worten Jesu, die im heutigen Evangelium stehen: Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein. – Und: Keiner von euch kann mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet.
II
Schriftdeuter haben sich manchmal schier das Hirn verrenkt, um diese so unzweideutigen Weisungen Jesu irgendwie mit dem zusammenzubringen, was halt so üblich war in der Kirche. Viele haben zu allen Zeiten den Glauben ernst genommen, haben als anständige Menschen gelebt, ihr Tun und Lassen an den zehn Geboten ausgerichtet – und in etwa unter Umständen gelebt, wie die meisten ihrer Zeit auch: als Väter und Mütter, in Sorge um ihre Familie und deren Wohlergehen. Und mancher hat’s dabei zu Wohlstand gebracht, ohne sich deshalb ein schlechtes Gewissen zu machen. Nicht anders die Kirche in ihrer äußeren Gestalt: Über die Jahrhunderte hin haben sich Kunstwerke angesammelt, die Menschen zur Ehre Gottes geschaffen oder gestiftet haben. So sind Reichtümer entstanden – in den Bistümern, den Klöstern, den Pfarreien manchmal. Und immer noch gilt: Keiner kann Jünger Jesu sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet. Was tun mit diesem Widerspruch?
III
Von außen wird er sich nicht lösen lassen. Da kämen nur faule Kompromisse oder Flucht vor dem Leben heraus. Was soll die Kirche tun: den Dom als Lagerhalle vermieten oder zu einem Konzertsaal umbauen? Die Klöster als Bürogebäude an Versicherungen und Konzerne verschenken? In Holland wurde das in letzter Zeit einige Male gemacht, weil Gemeinden die alten Kirchengebäude einfach nicht mehr erhalten konnten. Heiligenfiguren, Beichtstühle, Kerzenleuchter gingen in Sammlerhände über, aus dem Kirchenschiff wurde ein Möbelkontor und in der ehemaligen Seitenkapelle machte ein Kaffeehaus auf. Entschiedener Einspruch dagegen kam nicht nur von aktiven Christen. In großer Zahl verwahrten sich auch so genannte Fernstehende dagegen, so mit Dingen umzugehen, die Menschen einmal heilig gewesen sind. Solches Gespür ehrt den, der es hat. Und trotzdem gilt Jesu Wort, dass Nachfolge soviel heißt wie: alles hintansetzen, was sonst mein Leben ausmacht – die Habe zuallererst, aber auch menschliche Bindungen zu Eltern, Frau, Geschwistern, Kindern – zum eigenen Leben sogar, was soviel heißt wie: Mit Nachfolge verträgt sich nicht, darauf zu spekulieren, was ich am besten aus mir mache, wie ich ausschöpfe, was mir so zufällt. Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen: Der Widerspruch bleibt. Und schnellen, praktischen Ausweg aus ihm gibt es nicht.
IV
Wenn es einen Ausweg gibt, kann es darum einzig ein innerer, ein geistlicher sein: Ein junger Mönch kam eines Tages zu einem alten, erfahrenen Mitbruder und fragte ihn: Vater, erkläre mir, warum so viele kommen, um als Mönch zu leben, und nur wenige ausharren, viele aber wieder aufgeben? Der alte Mönch antwortete: Das ist so, wie wenn ein Hund einen Hasen erblickt. Er jagt ihm nach und bellt laut. Andere Hunde hören den Hund bellen, der dem Hasen nachspringt, und auch sie beginnen zu rennen. Viele sind es, die miteinander laufen und bellen, aber ein einziger hat den Hasen erblickt, ein einziger verfolgt ihn mit den Augen. Und alle, die den Hasen nicht selber gesehen haben, und bloß rennen, weil einer ihn erspäht hat, werden einer nach dem andern müde und geben erschöpft auf. Wer hingegen das Ziel persönlich in die Augen gefasst hat, hält bis zum Ende durch und packt den Hasen. Und so ist es auch bei uns: Nur wer seine Augen fest auf den Herrn gerichtet hält, gelangt ans Ziel.
V
Am Persönlichen hängt es, heißt das; daran, ob es zwischen Jesus und einem Menschen so etwas wie ein Du auf Du gibt. Je mehr ich mich ihm verbinde, desto unwichtiger wird alles, was sonst zu meinem Leben gehört. Manchmal bis dahin, dass ich tatsächlich nicht brauche, was andere für nötig, für selbstverständlich halten: Haus und Hof, Titel und Einfluss, Frau und Kinder. Ein Franz von Assisi, ein Charles de Foucault und viele andere stehen dafür, dass es das wirklich gibt. Sie haben im Verzichten auf alle Habe, auf Ansehen und menschliche Bindung eine Freiheit gefunden, die sie um nichts in der Welt für etwas anderes eintauschen mochten.
Das wird so nicht eines jeden Weg sein. Aber jene Umwertung von allem, die gilt für jede und jeden, die sich als Christ, als Christin verstehen. Dieses Du auf Du mit dem Herrn beschränkt sich dabei keineswegs auf die Zeiten des persönlichen Gebets, da ein Mensch in der Haltung des Ganz-Ohr-Seins vor dem Geheimnis Gottes verweilt, für sein Glück dankt oder seine Not ausbreitet. Das Du auf Du kann auch sozusagen ein ganz und gar werktägliches Kleid haben, etwa in Gestalt der Frage: Was würde Jesus tun an meiner Stelle jetzt bei dem, was ich zu bestehen habe? Was würde er mir antworten, wenn ich ihn befragte zu dem, was mich jetzt bewegt? Die Antwort, die Sie sich darauf geben, die sollten Sie befolgen. Denn so fängt Nachfolge an. Und Sie werden damit rechnen müssen, dass sich allein dadurch schon Vieles ändert für Sie.
Mehr als 1900 Jahre Geschichte hat die Kirche hinter sich. Zu dieser Geschichte gehört viel Licht. Zu ihr gehört viel Schatten. Aber in einem gleichen sich die hellen und dunklen Epochen der Kirchengeschichte: Sie sind eine einzige Geschichte der Verlegenheit vor den Worten Jesu, die im heutigen Evangelium stehen: Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein. – Und: Keiner von euch kann mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet.
II
Schriftdeuter haben sich manchmal schier das Hirn verrenkt, um diese so unzweideutigen Weisungen Jesu irgendwie mit dem zusammenzubringen, was halt so üblich war in der Kirche. Viele haben zu allen Zeiten den Glauben ernst genommen, haben als anständige Menschen gelebt, ihr Tun und Lassen an den zehn Geboten ausgerichtet – und in etwa unter Umständen gelebt, wie die meisten ihrer Zeit auch: als Väter und Mütter, in Sorge um ihre Familie und deren Wohlergehen. Und mancher hat’s dabei zu Wohlstand gebracht, ohne sich deshalb ein schlechtes Gewissen zu machen. Nicht anders die Kirche in ihrer äußeren Gestalt: Über die Jahrhunderte hin haben sich Kunstwerke angesammelt, die Menschen zur Ehre Gottes geschaffen oder gestiftet haben. So sind Reichtümer entstanden – in den Bistümern, den Klöstern, den Pfarreien manchmal. Und immer noch gilt: Keiner kann Jünger Jesu sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet. Was tun mit diesem Widerspruch?
III
Von außen wird er sich nicht lösen lassen. Da kämen nur faule Kompromisse oder Flucht vor dem Leben heraus. Was soll die Kirche tun: den Dom als Lagerhalle vermieten oder zu einem Konzertsaal umbauen? Die Klöster als Bürogebäude an Versicherungen und Konzerne verschenken? In Holland wurde das in letzter Zeit einige Male gemacht, weil Gemeinden die alten Kirchengebäude einfach nicht mehr erhalten konnten. Heiligenfiguren, Beichtstühle, Kerzenleuchter gingen in Sammlerhände über, aus dem Kirchenschiff wurde ein Möbelkontor und in der ehemaligen Seitenkapelle machte ein Kaffeehaus auf. Entschiedener Einspruch dagegen kam nicht nur von aktiven Christen. In großer Zahl verwahrten sich auch so genannte Fernstehende dagegen, so mit Dingen umzugehen, die Menschen einmal heilig gewesen sind. Solches Gespür ehrt den, der es hat. Und trotzdem gilt Jesu Wort, dass Nachfolge soviel heißt wie: alles hintansetzen, was sonst mein Leben ausmacht – die Habe zuallererst, aber auch menschliche Bindungen zu Eltern, Frau, Geschwistern, Kindern – zum eigenen Leben sogar, was soviel heißt wie: Mit Nachfolge verträgt sich nicht, darauf zu spekulieren, was ich am besten aus mir mache, wie ich ausschöpfe, was mir so zufällt. Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen: Der Widerspruch bleibt. Und schnellen, praktischen Ausweg aus ihm gibt es nicht.
IV
Wenn es einen Ausweg gibt, kann es darum einzig ein innerer, ein geistlicher sein: Ein junger Mönch kam eines Tages zu einem alten, erfahrenen Mitbruder und fragte ihn: Vater, erkläre mir, warum so viele kommen, um als Mönch zu leben, und nur wenige ausharren, viele aber wieder aufgeben? Der alte Mönch antwortete: Das ist so, wie wenn ein Hund einen Hasen erblickt. Er jagt ihm nach und bellt laut. Andere Hunde hören den Hund bellen, der dem Hasen nachspringt, und auch sie beginnen zu rennen. Viele sind es, die miteinander laufen und bellen, aber ein einziger hat den Hasen erblickt, ein einziger verfolgt ihn mit den Augen. Und alle, die den Hasen nicht selber gesehen haben, und bloß rennen, weil einer ihn erspäht hat, werden einer nach dem andern müde und geben erschöpft auf. Wer hingegen das Ziel persönlich in die Augen gefasst hat, hält bis zum Ende durch und packt den Hasen. Und so ist es auch bei uns: Nur wer seine Augen fest auf den Herrn gerichtet hält, gelangt ans Ziel.
V
Am Persönlichen hängt es, heißt das; daran, ob es zwischen Jesus und einem Menschen so etwas wie ein Du auf Du gibt. Je mehr ich mich ihm verbinde, desto unwichtiger wird alles, was sonst zu meinem Leben gehört. Manchmal bis dahin, dass ich tatsächlich nicht brauche, was andere für nötig, für selbstverständlich halten: Haus und Hof, Titel und Einfluss, Frau und Kinder. Ein Franz von Assisi, ein Charles de Foucault und viele andere stehen dafür, dass es das wirklich gibt. Sie haben im Verzichten auf alle Habe, auf Ansehen und menschliche Bindung eine Freiheit gefunden, die sie um nichts in der Welt für etwas anderes eintauschen mochten.
Das wird so nicht eines jeden Weg sein. Aber jene Umwertung von allem, die gilt für jede und jeden, die sich als Christ, als Christin verstehen. Dieses Du auf Du mit dem Herrn beschränkt sich dabei keineswegs auf die Zeiten des persönlichen Gebets, da ein Mensch in der Haltung des Ganz-Ohr-Seins vor dem Geheimnis Gottes verweilt, für sein Glück dankt oder seine Not ausbreitet. Das Du auf Du kann auch sozusagen ein ganz und gar werktägliches Kleid haben, etwa in Gestalt der Frage: Was würde Jesus tun an meiner Stelle jetzt bei dem, was ich zu bestehen habe? Was würde er mir antworten, wenn ich ihn befragte zu dem, was mich jetzt bewegt? Die Antwort, die Sie sich darauf geben, die sollten Sie befolgen. Denn so fängt Nachfolge an. Und Sie werden damit rechnen müssen, dass sich allein dadurch schon Vieles ändert für Sie.