Segens-Begegnung

Fronleichnam C: Gen 14, 18-20

I.
Heute feiern katholische Christen Fronleichnam. Ein rätselhafter Name wahrscheinlich selbst für nicht wenige, die das Fest begehen. Und noch rätselhafter das Fest für die, die nicht Katholiken sind. Da gehen viele Gemeinden hinaus ins Freie, mitten zwischen die Häuser und Geschäfte. Dort feiern sie ihren Gottesdienst, was sie sonst nur drinnen in den Kirchen tun. Und dann ziehen sie betend und singend in einer Prozession durch die Straßen, in ihrer Mitte, kostbar geschmückt, ein einfaches Stück Brot, über das bei der Messe Worte aus Jesu Mund gesprochen wurden und das sie darum als Jesu Leib verehren.

II.
Wenigstens der Name erklärt das schon. Das Wort „Fronleichnam“ kommt aus einem Deutsch, das man früher gesprochen hat, und heißt einfach: „Herrenleib“. Aber was gibt es da zu feiern? Und warum geschieht es in aller Öffentlichkeit und so festlich? Wer einen Moment innehält und der Mitte des Ganzen nachsinnt, kann auch dies verstehen.

III.
Diese Mitte ist Jesus Christus selbst. Kurz bevor er sterben musste, hat er mit seinen Freunden ein Abschiedsmahl gehalten. Das war am Gründonnerstag. Zur Erinnerung hat er ihnen etwas geschenkt. Gar nichts Besonderes und nichts Kostbares. Sondern etwas ganz und gar Alltägliches hat er aufgegriffen und zum Erinnerungszeichen an ihn gemacht. Ein Stück Brot hat er genommen, es gesegnet, geteilt und dazu gesagt: Nehmt: Das bin ich für euch. Jeden Tag esst ihr Brot, um am Leben zu bleiben. Nährt euch genauso von dem, was ich gesagt und für euch getan habe, damit ihr nicht nur äußerlich besteht, sondern auch nach innen hin, mit der Seele! Kommt zusammen, lest euch meine Worte vor, erinnert euch daran, wie ich zu euch war, seid dann selber genauso zueinander, und zur Besiegelung nehmt so wie ich jetzt das Brot, brecht es, teilt es und esst es! Und genauso trinkt dann aus dem Kelch! So bleibt ihr mit mir verbunden und seid es auch untereinander.
Einfach dadurch, dass er dieses an sich alltägliche Tun zu etwas von sich erklärte, ist es das auch geworden. Zwei Menschen, die sich mögen, machen es ja genauso. Wenn sie sich verabschieden, weil der eine für lange Zeit weggehen muss, da drückt der eine dem anderen noch schnell etwas ganz Persönliches in die Hand, zum Beispiel einen kleinen, schön marmorierten Stein oder eine Glasperle, die sie bei einem Spaziergang miteinander zufällig gefunden hatten und die der eine seither in der Tasche getragen hatte. Es könnte genauso ein Bleistift sein, ein Bierdeckel oder die Briefmarke des ersten Briefes, den der eine dem andern geschrieben hat. Alles Mögliche kann dazu dienen, nur ganz persönlich muss es sein.

IV.
Von daher war es natürlich alles andere als zufällig, dass Jesus das Brot und den Wein zum Erinnerungszeichen machte. Es waren für ihn und die Menschen damals die Grundgaben des täglichen Lebens schlechthin und Zeichen des Festes, der Freude. Sie erinnern bis heute von selbst an den, der alles Leben nährt, alle Gaben schenkt und mehr als das Nötige übrig hat für uns – an Gott. Sie sind darum zugleich so etwas wie ein Segenszeichen. Und nichts anderes als ein Segen wollte er sein für die Seinen.
Das Zeichen selber ist uralt, schon die kleine Begebenheit in der heutigen ersten Lesung handelt davon. Abram zieht als Nomade durch fremdes Land. Er ist von zu Hause aufgebrochen, weil es ihm Gott eingegeben hatte, oder, um es mit Worten von heute zu sagen: Weil es ihn umtrieb, die wirkliche Wahrheit über das Leben, also den wahren Gott, zu finden. Und eines Tages kommt ihm aus einer der verschlossenen Städte mit den hohen Mauern deren König entgegen, Melchisedek hieß er, zu deutsch: König, der gerecht ist, also das Richtige tut. Wie damals oft üblich, war der König zugleich der oberste Priester seiner Stadt. „Höchster Gott“ hieß der Gott, dem er diente. Dieser Melchisedek geht dem Abram entgegen, reicht ihm Brot und Wein und segnet ihn; das Reichen der Gaben und das Segnen sind dabei eins, und sie meinen: Gott schenkt dir, was Not tut zum Leben, und mehr sogar, damit du merkst, was du ihm bedeutest. Er will, dass es dich gibt. Mit ihm wirst du deines Lebens froh. Und Abram war dankbar für diese Segensgabe; er gab dem Melchisedek den Zehnten von allem, heißt es, das meint: Er sagte Ja zu diesem geheimnisvollen Segen eines Gottes, den er unter diesem Namen, den Melchisedek aussprach, noch gar nicht kannte.

V.
Und heute, am Fronleichnamsfest, tun die Katholiken so etwas Ähnliches wie der Melchisedek damals: Wir gehen auch hinaus, gehen Menschen entgegen, die von unserem Glauben wenig oder noch gar nichts wissen, halten Brot und Wein als Inbild der Gegenwart Jesu empor und sagen dazu: Gott selber gibt uns, was wir am nötigsten brauchen, um zu bestehen, und etwas zum Freuen dazu. Seine Gabe heißt „Jesus“. Lasst euch Jesus, den Segen Gottes in Menschengestalt, schenken, schließt euch ihm an und haltet dann Gemeinschaft mit uns beim Brotbrechen, damit ihr auch den Segen empfangt, den Gott für uns alle übrig hat.

VI.
Fronleichnam heißt darum auch: Christen wollen, was Gott uns schenkt, nicht für sich allein behalten. Wir schenken den Segen weiter, mit dem er uns gesegnet hat. Mancher mag den Kopf schütteln und sich abwenden, mancher den Segen dankbar annehmen, obwohl er noch gar nicht versteht, was er im Tiefsten bedeutet. Aber entscheidend ist: Der Segen ist gegeben, und wir, die Christen, tragen ihn weiter – wie Melchisedek. An Fronleichnam machen wir das besonders sichtbar. So gesehen ist eigentlich bei uns hier in der Dominikanerkirche fast jeden Sonntag ein wenig Fronleichnam: Gar nicht selten, das weiß ich, ist jemand da, der noch nicht oder vielleicht nicht mehr Christ ist. Für sie alle ist das, was wir als Glaubende tun, Einladung, am Segen teilzuhaben und sich erstmals oder wieder Christus anzuvertrauen. Darum ist es wichtig, dass Beten und Feiern derer von uns, die schon Christen sind, von Herzen kommt.