Weihnachten werktäglich

Fest der Hl. Familie C: Kol 3,12-17

I.

Wie ein Berg mit zwei Gipfeln ist das Weihnachtsfest. In der Heiligen Nacht und im Dreikönigsfest hat es seine Höhepunkte. Die Tage dazwischen gehören auch zum Fest. An ihnen tritt das Viele in den Blick, was wir am Weihnachtsgeheimnis gar nicht auf einmal erfassen können. Wenn wir vor einem riesigen Gemälde stehen, dann wandern nach dem ersten Eindruck - und wenn wir den Mittelpunkt entdeckt haben - die Augen kreuz und quer, um den ganzen Reichtum der Gestalten und Szenen zu entdecken. So ähnlich verhält es sich auch mit dem heutigen Fest der Hl. Familie.

II .

Weihnachten war ja nicht mit der Heiligen Nacht abgeschlossen, es begann ja erst. Menschen, denen Weihnachten etwas bedeutet, die wirklich verstehen möchten, was da geschieht, also Glaubende werden darum wie von selbst fragen, wie es weiterging mit dem Kind und seinen Eltern. Aber seltsamerweise schweigen die Evangelien darüber fast ganz. Matthäus erzählt nur die Sache mit der Flucht nach Ägypten, Lukas die Geschichte vom Jerusalemer Tempelbesuch des zwölfjährigen Jesus. Das ist alles, was wir von Jesu Erdenleben zwischen der Geburt und dem 30. Lebensjahr erfahren, da er anfängt, öffentlich aufzutreten.

III.

Dieses Schweigen der Evangelien ist freilich kein Zufall. Es gibt uns einen Wink, worauf es eigentlich ankommt bei Weihnachten. Es sagt uns: Schau nicht auf das äußere Geschehen. Wirklich wichtig ist, was durch Weihnachten mit dir selber geschieht. Fromme Menschen haben immer schon gewusst: es kommt einzig darauf an, daß wir durch Weihnachten anfangen, Jesus-Kinder zu werden. So Gott trauen und an die Liebe glauben wie Jesus, so beginnt es. Und das vermag, wer staunend hört, daß Gott selber ein schutzloses Kind geworden ist: daß es sich uns ganz ausliefert, um uns alle Angst zu nehmen, daß der, den wir Gott und Herr nennen, es nicht gut meinen könnte mit uns. Darum fängt, wer staunend, ja: auch liebevoll auf das Kind von Bethlehem schaut, von selber an, Vertauen zu schenken und der Güte zu trauen. Damit tritt der Mensch in das Leben der Christus-Welt ein. Genau diese weihnachtliche Christus-Welt hat ein Apostelschüler im Brief an die Gemeinde von Kolossae gezeichnet:

IV.

Der erste Satz, also das Fundament dieser Welt lautet: Ihr sein von Gott geliebt. Das ist nur eine Übersetzung des Hauptworts "Weihnachten" in ein Verbum, also ein Tätigkeitswort, das von dem redet, was Gott da tut: Gott ist sich nicht zu gut, alles von sich - Macht und Pracht und Größe - dranzugeben, um mit uns zu sein - wie wir. So etwas tut nur, wer den, um dessentwillen er so handelt, von Herzen gern hat - ihn gleichsam einhüllt in einen Mantel aus Zuneigung. Wo immer ein Mensch dies erfährt, fängt er an, ein anderer zu werden. Er kann gar nicht anders, als das Empfangene irgendwie weiterzugeben aus Freude und Dankbarkeit über das, was er selbst empfängt. Daher rührt auch der Sinn unserer Geschenke an Weihnachten, wenn sie richtig verstanden sind. Dann stehen Geschenke ja für ein gratis, ein Nicht-verdienen-müssen, jenes Darüberhinaus, das wir im Bayerischen mit der treffenden Wendung ausdrücken: Weils des Du bist!

Und alles, was wichtig ist unter Menschen, daß sie miteinander leben können, alles wächst für den Christen einzig aus diesem Geschehen gratis erfahrener Liebe Gottes heraus: Weil ihr von Gott geliebt seid, darum bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld. Diese fünf Wesenszüge - Tugenden sagte man früher - werden in der Bibel oft von Gott ausgesagt, in den Evangelien auch von Jesus: wie Gott in Jesus zu uns Menschen ist. Hier im Kolosserbrief beschreiben sie menschliches Verhalten: Wie einer wird, wenn er Weihnachten glaubt. Und welcher Mensch - Sie und ich eingeschlossen - wüßte nicht aus wiederholter Erfahrung, was Erbarmen, was Güte, was Demut, was Milde, was Geduld bedeutet, wenn andere sie aufbringen für uns. Wir leben davon.

Und noch etwas: Gott hat alles, hat sich für den Menschen drangegeben, obwohl der sich mißtrauisch und dann gleichgültig von ihm abgewandt hatte. Gratis, umsonst ist er aufs Neue auf uns zugegangen. Er hat es ausgehalten mit uns, damit wir es miteinander aushalten können. Denn: Weil Gott uns barmherzig vergeben hat, darum können auch wir einander vergeben, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen hat. Ohne Vergebung bliebe immer alles, wie es ist, bliebe es gnadenlos. Die Vergebung gibt es einzig, weil Weihnachten war. Und einander vergeben heißt: aus Weihnachten leben. So schaut das große Fest im Werktagskleide aus.

Seid dankbar, sagt der Kolosserbrief, seid dankbar, daß es all das gibt. Unser Beten und Singen jetzt folgt diesem Wort. Gottesdienst, Eucharistie ist unser Dank dafür, daß das Wunder der Heiligen Nacht weitergeht. Jeden Tag, durch unser eigenes Tun und Lassen, wenn es im Gottvertrauen und mit Güte geschieht. So wächst das neue Leben in uns, an dem Gott sein Gefallen hat. Daran ist alles gelegen.