Macht von Gottes Art
Christkönigssonntag C: Lk 23,35-43
I.
Das
Wort „Macht“ hat einen miserablen Beigeschmack heutzutage. Und durchaus
mit Recht. Wo immer von Macht und von denen, die sie gerade besitzen,
von den Mächtigen, gesprochen wird, geht es meist um Missbrach.
Menschen treten, schinden, schikanieren ihresgleichen, bis sie nicht
mehr können. Längst nicht nur in fernen Bananenrepubliken. Und auch die
Höllenbilder aus Abu Ghraib und Guantanamo dürfen uns nicht blinden
werden lassen für das, was manchmal in unseren Breiten geschieht,
subtil getarnt, in hochmodernen Betrieben z.B. – Mobbing sagt man dafür
mittlerweile -, aber genauso bei Behörden und selbst in den Kirchen.
Wer Macht hat, muss verdammt aufpassen, nicht verdorben zu werden.
II.
Das
war eine Erfahrung, die den Menschen durch den Ersten Weltkrieg auf
vorher nie da gewesene Weise in die Knochen fuhr. Sie erlebten am
eigenen Leib, dass Macht, wie Menschen sie sich vorzustellen pflegen,
entsetzliche Folgen haben kann. Damals entstand das heutige Fest
Christkönig. Anders als andere Feste im Kirchenjahr entsprang es „nur“
einer Idee. Aber es war ein Widerspruch dagegen, dass es Ordnung nur
dadurch geben könne, dass die einen die anderen niedermachen. Maß
genommen hat dieser Widerspruch an der Mitte des christlichen Glaubens,
an Jesus Christus.
III .
Er,
den die Gläubigen von Anfang an „Herr“ nennen, er übt auch Macht aus.
Aber anders als Menschen von Macht über Menschen Gebrauch machen.
Drastisch kommt das durch die Orte zum Ausdruck, an dem Jesus in den
Evangelien „König“, also Machthaber genannt wird: als Kind, im Prozess
und dann am Kreuz. Wie wenn es überall da etwas zu herrschen gegeben
hätte! Sein Machthaben bleibt von Anfang bis Ende von Ohnmacht
umgriffen, weil ihr jede Gewalt zutiefst fremd ist.
Es gibt ein Wort des chinesischen Philosophen Laotse, das ein
wenig Licht in diesen Widerspruch einer ohnmächtigen Macht zu bringen
vermag. Laotse fragte: Wie gewinnen die Meere Herrschaft über die
Ströme, die Flüsse und die abertausend Bäche? Und Laotse antwortete:
Indem sie niedriger sind. – So ist es tatsächlich: Weil die Meere
tiefer liegen als alles Land und alle Wasser in ihm, strömen die Bäche
und Flüsse ihnen unausweichlich zu. Das nahm der chinesische Weise zum
Gleichnis dafür, dass etwas, was nicht über anderem steht, trotzdem
eine Macht ausüben kann, die unbezwingbar ist.
Im Menschlichen
gibt es genau das auch – dass eine oder einer in Bann schlägt nicht
dadurch, dass er sie verblüfft oder sie irgendwie überwältigt, sondern
dass er ihnen in einer Offenheit begegnet, so ungeschützt und
verletzlich, dass sie, die anderen, gar nicht mehr anders können, als
davon nicht nur berührt, sondern darüber nachgerade bestürzt zu sein.
IV.
In
Dostojewskis Roman „Die Brüder Karamasoff“ heißt es – an Jesus
gerichtet: Hättest du Krone und Schwert genommen, so hätten sich dir
alle freudig unterworfen. In einer einzigen Hand wäre die Herrschaft
über die Leiber und die Seelen vereint, und das Reich des ewigen
Friedens wäre angebrochen. Du hast es versäumt... Du stiegst nicht
herab vom Kreuz, als man dir mit Spott und Hohn zurief: Steig herab vom
Kreuz, und wir werden glauben, dass du Gottes Sohn bist. Du stiegst
nicht herab, weil du die Menschen nicht durch ein Wunder zu Sklaven
machen wolltest, weil dich nach freier und nicht nach einer durch
Wunder erzwungene Liebe verlangte...
Diese seltsame, diese
ohnmächtige Macht ist auch gescheitert. Jesus wurde beiseite geschafft.
Aber eben darin schon erwies er etwas von der Macht, die anders ist als
alle anderen Mächte. Schon die Weise, wie er starb, wie er das Elend
durchstand und nicht einmal am Kreuz ließ von seinem Gott ließ, - schon
das hat nach dem Zeugnis des Lukasevangelium einen der beiden
Schicksalsgenossen derart getroffen, dass er von seinem Galgen her noch
sich zu Jesus bekennt und dieser ihm antwortet: Heute noch wirst du mit
mir im Paradies sein. Heute noch! Einer, der soviel auf dem Kerbholz
hat, dass er mit der Hinrichtung nach eigenem Wort nur den Lohn für
seine Untaten kassiert, - so einer geht vom Sterben weg ins Paradies
ein. Weil er sich von der ohnmächtigen Macht Jesu, von dem ergreifen
lässt, was vom Gekreuzigten ausgeht.
Haben Sie schon einmal
jemandem ins Gesicht geschaut, dem es dreckig ging, der keinen Ausweg
mehr wusste und dem Sie auch nicht helfen konnten? Und haben Sie dann
gespürt, wie dieser andere Sie trotzdem in Anspruch genommen, trotzdem
durch seine Not zutiefst betroffen gemacht hat? Dann haben Sie etwas
erfahren von jener Macht, die aus der Ohnmächtigkeit kommt, und die
auch die Macht Jesu war, die einzige, die er besaß.
V.
Wenn
man diese Macht nicht gerade erfährt, kann man fast nicht glauben, dass
es sie überhaupt gibt. Darum wird sie so oft verdeckt, ja regelrecht
verleugnet, auch von denen, die es besser wissen müssten, weil sie sich
auf den berufen und nach dem nennen, der diese Macht mit Leib und Leben
verkörpert hat – die Christen. Neulich hat einer ehrlich gebetet:
Herr, während die Großen dieser Welt
sich in die Medien drängen
zur besten Sendezeit,
einer den anderen auszustechen –
wie anders ist deine Art!
Gestern auf einem Esel reitend,
dein einziges Podest,
auf dem Weg in die Schmach.
Krone, Mantel, Szepter, alle Macht der Welt wurde zur Karikatur.
Heute: eine Kirche von Sündern,
Krone, Mantel, Szepter kleiden sie schlecht,
hat nichts dazugelernt, nichts gemerkt;
fast wider Willen trägt sie deinen Geist, Herr, durch die Zeit.
Der
König Christus ist kein Triumphator. Seine Macht war und ist – Liebe.
Die kann man übersehen, übergehen, dementieren, verhöhnen. Vernichten
kann man sie nicht. Weil sie sich auch darin noch erweist, dass sich
der vernichten lässt, der ihr Träger ist. Was nicht einmal auf Golgotha
ausgelöscht werden konnte, wird auch die restliche Zeit nicht
vernichtet werden können. Das lässt die Christinnen und Christen
getröstet in die Zukunft gehen.