Weihnachtswissen
Weihnachten am Tag: Joh 1, 1-18
I
Manche von Ihnen werden etwas davon schon gesehen haben. Eine der Hauptzugangsstraßen des alten Rom entlang, der Via Appia Antica, erstreckt sich eine ganze unterirdische Totenstadt – die Katakomben. Insgesamt gut 15 Kilometer lang, teils drei Stockwerke tief, haben die frühen Christen dort in dem weichen Gestein ihre Toten bestattet und in den Zeiten der Verfolgung auch Zuflucht gesucht. In dieser Gräberstadt sind auch die frühesten Christusbilder erhalten geblieben, die wir kennen. Zwei davon fallen besonders auf. Etliche Wandmalereien zeigen eine sonnige, frühlingshafte Landschaft, in ihr sitzt ein junger Mann, umgeben von Tieren, eine Leier in der Hand. Das ist die antike Figur des Orpheus, jenes mythischen Sängers, der eine so wunderbare Stimme hatte, dass er nicht nur Menschen und Götter bezauberte, sondern dass auch die Bäume zu tanzen und die Felsen zu weinen begannen, wenn er zu singen anfing. In ihm haben die frühen Christen so etwas wie ein Vorausbild des Erlösers erkannt, der mit seiner milden Stimme die Tiere, also das Unbegreifliche, Dunkle, Gefährliche besänftigt, alles Harte weich macht und die Schöpfung jubeln lässt.
Und da ist noch ein Bild, auch eines, das aus der Welt des griechischen Denkens stammt. Man findet es auf den Sarkophagen. Sie waren der Ort der ältesten christlichen Plastik und zeigen meist Hirten, Betende – und Christus als Philosophen, gekleidet in die Tunica und eine Schriftrolle in der Hand, so wie man in der vorchristlichen Antike gern Sokrates oder Platon darstellte. Unser Philosoph, wollten die Gläubigen damals sagen, – unser Philosoph, unser Weiser ist Christus, weil er das Geheimnis des Lebens und des Todes bis zum Grunde kennt.
II
Dieses Nebeneinander von Orpheus und Sokrates oder Platon, von Dichter und Weisheitslehrer als einem Doppelsymbol für Christus aus den Katakomben spiegelt sich, scheint mir in gewissem Sinn, in den Evangelien des Weihnachtsfestes. Heute Nacht, in der Christmette, haben wir die Kindheitsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium gehört, jenen Reigen von Bildern zwischen Traum und Tag – das Herberge suchende Paar, die Geburt des Kindes im Stall inmitten der Tiere, die Hirten auf dem Feld mit ihrer Herde, die Botschaft des Engels an sie, die Schar der Himmlischen, die darüber jubelt, dass den Menschen Frieden geworden, weil sie Gott so am Herzen liegen. Und jetzt in der Taghelle folgen die ersten 18 Verse des Johannesevangeliums, steil von oben kommend gleichsam, wie ein mächtig brausender Katarakt, in der Dichte dessen, was sie ausdrücken, nicht zu fassen in den Kommentaren von 2000 Jahren.
III
Diesem Johannes, einem spekulativen, mystischen Theologen, ist nichts zu kühn in seinem Versuch zu sagen, was Weihnachten bedeutet: Darum fängt er seine Jesus-Geschichte mit den gleichen Worten an, mit denen das Heilige Buch der Juden und dann der Christen insgesamt beginnt: Bereschith, en arche, im Anfang – und dann kommt der erste Paukenschlag: Im Anfang war der Logos. Wir übersetzen gewöhnlich: Im Anfang war das Wort – aber das sagt im Grunde überhaupt nichts. Dieses „logos“ war schon im sechsten vorchristlichen Jahrhundert durch den Vorsokratiker Heraklit zu einem Grundwort der abendländischen Philosophie, aber dadurch zugleich beinahe unübersetzbar geworden: „Sinn“, „Urgrund“, „Ordnung“, „Zusammenhalt“, „Vielfalt in der Einheit“ könnte man unbeholfen dafür nehmen – und selbst alles davon zusammen genommen würde noch nicht reichen. Was Johannes damit sagen will: Am Anfang alles Wirklichen ist kein Durcheinander, kein Tohuwabohu, sondern alles ist geordnet, gefügt, stimmt zueinander und lässt sich verstehen, denn nicht irgend etwas, sondern Gott selbst, sein innerstes Wesen ist der Anfang aller Dinge. Und darum auch gibt es Lebendiges und Licht in dieser Welt, Licht, das durch nichts überwältigt und gelöscht werden kann und darum jedem Menschen leuchtet und ihn erleuchtet.
Und dann kommt der zweite, noch größere Paukenschlag: Und dieser Logos ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt – wörtlich: sein Zelt, seine Bleibe aufgeschlagen. Das war unerhört, denn es bedeutete: Der Logos, diese innerste, alles leitende und bewahrende Mitte des Universums, ist in Jesus selbst sichtbarer Teil dieser Welt geworden. In und an ihm kann man auf menschliche Weise schauen, was es um jenes tiefste Geheimnis und Gesetz ist, das alles schafft und zusammenhält und das Menschen seit je mit dem scheu gesprochenen Namen „Gott“ zu ehren suchen. Kein Wunder, dass sich die frühen christlichen Theologen als die Nachfolger und sogar Überbieter der Philosophen verstanden, weil ihnen der Logos, welcher Christus ist, gleichsam auf Du und Du vertraut und zugewandt war. Und deshalb konnten sie auch alles, was sich bei den vorchristlichen Philosophen an tiefer Einsicht und Wahrheit findet, als „Samenkörner des Logos“ anerkennen, wie sie sagten, als Vorausbild und Vorspiel dessen, was in Jesus Christus in seiner ganzen Fülle sich auf tut und mitteilt. Genauso wie die Künstler der Katakomben im Orpheus und der Figur des Weisen mit der Schriftrolle geistig-geistliche Vorläufer Christi erblickten.
IV
Man darf nicht glauben, dass Johannes und dann jene Künstler das gemacht hätten, um halt so etwas wie eine Selbstbehauptung dieser kleinen christlichen Sekte inmitten der hoch stehenden geistigen Welt und dem brodelnden religiösen Siedetopf der spätantiken Gesellschaft zu inszenieren. Da wären sie mit Pauken und Trompeten untergegangen. Dass das nicht geschah, konnte seinen Grund nur darin haben, dass an diesem Jesus etwas war, was Menschen derart in Bann schlug, dass sie den Gedanken wagten: An dem, was dieser Jesus sagt, was er tut und duldet, leuchtet etwas von Gott selber auf. Wie er war, so ist Gott. Er ist seine Ikone, sein wahres Inbild – genau so, wie das der Evangelist mit den letzten Worten sagt, die wir vorhin gehört haben: ekeinos exegesato – jener, also Christus, hat Kunde gebracht, wörtlich: hat Gott, den Vater, ausgelegt, also gedeutet und damit für uns zugänglich und verstehbar gemacht.
V
Und was hat uns Jesus von Gott verständlich gemacht? Als Antwort auf diese Frage müsste ich Ihnen eigentlich nun das Leben Jesu von seinem ersten öffentlichen Auftritt in Nazaret bis zur Todesstunde auf Golgata erzählen. Dieses Ganze, seine Biographie, ist das wahre Gottesbild. Das Bild von dem Gott, der der Urgrund, die Quelle und die Mitte von allem ist. Und was zeigt Jesus? Einen, der den Geschöpfen zugewandt ist, liebend Sorge um sie tragend, um die Angeschlagenen, die in sich Verkrümmten zu allermeist. Einen, dem nichts zu viel ist, der sein Eigenstes drangibt dafür, dass anderes, dass die anderen seien und bleiben. Einen, der unbedingt sagt: Ich will, dass Du bist. Dieser Satz aber ist die Tunform eines Hauptworts: Das heißt Liebe. Der Logos also, der alles durchwaltet, schafft und trägt, ist Liebe, ist Sich-Verschenken-Für. Und wenn das wahr wäre, dann, ja dann hat das Dunkle und Schmerzvolle, das Nichts, also der Tod nicht und nirgends das letzte Wort, auch dort nicht, wo etwas in der Welt endet, wie alles Irdische. Enden bedeutet dann nicht vergehen, sondern wieder eingehen in den Urgrund, aus dem alles Seiende kam, und dort vollendet werden.
VI
So vom Leben denken dürfen, so durchlichtet, also aufgeklärt im buchstäblichen Sinn, und nicht einem blinden Geschick oder fremden göttlichen Mächten ausgesetzt sein – das hat Menschen von Anbeginn am Evangelium fasziniert. Das eigene, kleine, zerbrechliche Leben geborgen wissen dürfen bei einem Gott, der selbst das Kleinsein und Zerbrechlichsein aus Eigenstem kennt und gerade darin sein Gottsein erweist, das macht frei, zum Menschlich- sein ja sagen zu können und sich nichts mehr vormachen zu müssen, damit man etwas, d.h. jemand sei. Du bist, denn ich bin mit Dir – das ist der Kern der Weihnachtsbotschaft. Und das ist das einzige Wort, das im Angesicht des Todes noch Bestand hat. Darum Christus, der Philosoph, auf den alten Sarkophagen! Darum Christus Orpheus in den Katakomben! Orpheus hatte mit seinem Lied die Schicksalsgötter erweicht, um seine geliebte Eurydike, die gestorben war, aus dem Schattenreich zurück zu holen – wenn er sich nicht auf dem Rückweg aus Angst um sie nochmals umgedreht und so den Sieg über den Tod doch noch verspielt hätte. Christus Orpheus geht auch bis in die Unterwelt, aber in unverbrüchlichem Gott-Trauen, darum holt er, was er liebt – die Schöpfung, uns – aus den Kellern der Angst. Das Geheimnis des Gottes an unserer Seite, an unserer Seite für immer. Das ist Weihnachten – unzerstörbar selbst durch die trivialste Verkitschung noch. Wie könnte es auch anders sein, wo wir an diesen Tagen doch in unser eigenes Innerstes schauen!
Manche von Ihnen werden etwas davon schon gesehen haben. Eine der Hauptzugangsstraßen des alten Rom entlang, der Via Appia Antica, erstreckt sich eine ganze unterirdische Totenstadt – die Katakomben. Insgesamt gut 15 Kilometer lang, teils drei Stockwerke tief, haben die frühen Christen dort in dem weichen Gestein ihre Toten bestattet und in den Zeiten der Verfolgung auch Zuflucht gesucht. In dieser Gräberstadt sind auch die frühesten Christusbilder erhalten geblieben, die wir kennen. Zwei davon fallen besonders auf. Etliche Wandmalereien zeigen eine sonnige, frühlingshafte Landschaft, in ihr sitzt ein junger Mann, umgeben von Tieren, eine Leier in der Hand. Das ist die antike Figur des Orpheus, jenes mythischen Sängers, der eine so wunderbare Stimme hatte, dass er nicht nur Menschen und Götter bezauberte, sondern dass auch die Bäume zu tanzen und die Felsen zu weinen begannen, wenn er zu singen anfing. In ihm haben die frühen Christen so etwas wie ein Vorausbild des Erlösers erkannt, der mit seiner milden Stimme die Tiere, also das Unbegreifliche, Dunkle, Gefährliche besänftigt, alles Harte weich macht und die Schöpfung jubeln lässt.
Und da ist noch ein Bild, auch eines, das aus der Welt des griechischen Denkens stammt. Man findet es auf den Sarkophagen. Sie waren der Ort der ältesten christlichen Plastik und zeigen meist Hirten, Betende – und Christus als Philosophen, gekleidet in die Tunica und eine Schriftrolle in der Hand, so wie man in der vorchristlichen Antike gern Sokrates oder Platon darstellte. Unser Philosoph, wollten die Gläubigen damals sagen, – unser Philosoph, unser Weiser ist Christus, weil er das Geheimnis des Lebens und des Todes bis zum Grunde kennt.
II
Dieses Nebeneinander von Orpheus und Sokrates oder Platon, von Dichter und Weisheitslehrer als einem Doppelsymbol für Christus aus den Katakomben spiegelt sich, scheint mir in gewissem Sinn, in den Evangelien des Weihnachtsfestes. Heute Nacht, in der Christmette, haben wir die Kindheitsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium gehört, jenen Reigen von Bildern zwischen Traum und Tag – das Herberge suchende Paar, die Geburt des Kindes im Stall inmitten der Tiere, die Hirten auf dem Feld mit ihrer Herde, die Botschaft des Engels an sie, die Schar der Himmlischen, die darüber jubelt, dass den Menschen Frieden geworden, weil sie Gott so am Herzen liegen. Und jetzt in der Taghelle folgen die ersten 18 Verse des Johannesevangeliums, steil von oben kommend gleichsam, wie ein mächtig brausender Katarakt, in der Dichte dessen, was sie ausdrücken, nicht zu fassen in den Kommentaren von 2000 Jahren.
III
Diesem Johannes, einem spekulativen, mystischen Theologen, ist nichts zu kühn in seinem Versuch zu sagen, was Weihnachten bedeutet: Darum fängt er seine Jesus-Geschichte mit den gleichen Worten an, mit denen das Heilige Buch der Juden und dann der Christen insgesamt beginnt: Bereschith, en arche, im Anfang – und dann kommt der erste Paukenschlag: Im Anfang war der Logos. Wir übersetzen gewöhnlich: Im Anfang war das Wort – aber das sagt im Grunde überhaupt nichts. Dieses „logos“ war schon im sechsten vorchristlichen Jahrhundert durch den Vorsokratiker Heraklit zu einem Grundwort der abendländischen Philosophie, aber dadurch zugleich beinahe unübersetzbar geworden: „Sinn“, „Urgrund“, „Ordnung“, „Zusammenhalt“, „Vielfalt in der Einheit“ könnte man unbeholfen dafür nehmen – und selbst alles davon zusammen genommen würde noch nicht reichen. Was Johannes damit sagen will: Am Anfang alles Wirklichen ist kein Durcheinander, kein Tohuwabohu, sondern alles ist geordnet, gefügt, stimmt zueinander und lässt sich verstehen, denn nicht irgend etwas, sondern Gott selbst, sein innerstes Wesen ist der Anfang aller Dinge. Und darum auch gibt es Lebendiges und Licht in dieser Welt, Licht, das durch nichts überwältigt und gelöscht werden kann und darum jedem Menschen leuchtet und ihn erleuchtet.
Und dann kommt der zweite, noch größere Paukenschlag: Und dieser Logos ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt – wörtlich: sein Zelt, seine Bleibe aufgeschlagen. Das war unerhört, denn es bedeutete: Der Logos, diese innerste, alles leitende und bewahrende Mitte des Universums, ist in Jesus selbst sichtbarer Teil dieser Welt geworden. In und an ihm kann man auf menschliche Weise schauen, was es um jenes tiefste Geheimnis und Gesetz ist, das alles schafft und zusammenhält und das Menschen seit je mit dem scheu gesprochenen Namen „Gott“ zu ehren suchen. Kein Wunder, dass sich die frühen christlichen Theologen als die Nachfolger und sogar Überbieter der Philosophen verstanden, weil ihnen der Logos, welcher Christus ist, gleichsam auf Du und Du vertraut und zugewandt war. Und deshalb konnten sie auch alles, was sich bei den vorchristlichen Philosophen an tiefer Einsicht und Wahrheit findet, als „Samenkörner des Logos“ anerkennen, wie sie sagten, als Vorausbild und Vorspiel dessen, was in Jesus Christus in seiner ganzen Fülle sich auf tut und mitteilt. Genauso wie die Künstler der Katakomben im Orpheus und der Figur des Weisen mit der Schriftrolle geistig-geistliche Vorläufer Christi erblickten.
IV
Man darf nicht glauben, dass Johannes und dann jene Künstler das gemacht hätten, um halt so etwas wie eine Selbstbehauptung dieser kleinen christlichen Sekte inmitten der hoch stehenden geistigen Welt und dem brodelnden religiösen Siedetopf der spätantiken Gesellschaft zu inszenieren. Da wären sie mit Pauken und Trompeten untergegangen. Dass das nicht geschah, konnte seinen Grund nur darin haben, dass an diesem Jesus etwas war, was Menschen derart in Bann schlug, dass sie den Gedanken wagten: An dem, was dieser Jesus sagt, was er tut und duldet, leuchtet etwas von Gott selber auf. Wie er war, so ist Gott. Er ist seine Ikone, sein wahres Inbild – genau so, wie das der Evangelist mit den letzten Worten sagt, die wir vorhin gehört haben: ekeinos exegesato – jener, also Christus, hat Kunde gebracht, wörtlich: hat Gott, den Vater, ausgelegt, also gedeutet und damit für uns zugänglich und verstehbar gemacht.
V
Und was hat uns Jesus von Gott verständlich gemacht? Als Antwort auf diese Frage müsste ich Ihnen eigentlich nun das Leben Jesu von seinem ersten öffentlichen Auftritt in Nazaret bis zur Todesstunde auf Golgata erzählen. Dieses Ganze, seine Biographie, ist das wahre Gottesbild. Das Bild von dem Gott, der der Urgrund, die Quelle und die Mitte von allem ist. Und was zeigt Jesus? Einen, der den Geschöpfen zugewandt ist, liebend Sorge um sie tragend, um die Angeschlagenen, die in sich Verkrümmten zu allermeist. Einen, dem nichts zu viel ist, der sein Eigenstes drangibt dafür, dass anderes, dass die anderen seien und bleiben. Einen, der unbedingt sagt: Ich will, dass Du bist. Dieser Satz aber ist die Tunform eines Hauptworts: Das heißt Liebe. Der Logos also, der alles durchwaltet, schafft und trägt, ist Liebe, ist Sich-Verschenken-Für. Und wenn das wahr wäre, dann, ja dann hat das Dunkle und Schmerzvolle, das Nichts, also der Tod nicht und nirgends das letzte Wort, auch dort nicht, wo etwas in der Welt endet, wie alles Irdische. Enden bedeutet dann nicht vergehen, sondern wieder eingehen in den Urgrund, aus dem alles Seiende kam, und dort vollendet werden.
VI
So vom Leben denken dürfen, so durchlichtet, also aufgeklärt im buchstäblichen Sinn, und nicht einem blinden Geschick oder fremden göttlichen Mächten ausgesetzt sein – das hat Menschen von Anbeginn am Evangelium fasziniert. Das eigene, kleine, zerbrechliche Leben geborgen wissen dürfen bei einem Gott, der selbst das Kleinsein und Zerbrechlichsein aus Eigenstem kennt und gerade darin sein Gottsein erweist, das macht frei, zum Menschlich- sein ja sagen zu können und sich nichts mehr vormachen zu müssen, damit man etwas, d.h. jemand sei. Du bist, denn ich bin mit Dir – das ist der Kern der Weihnachtsbotschaft. Und das ist das einzige Wort, das im Angesicht des Todes noch Bestand hat. Darum Christus, der Philosoph, auf den alten Sarkophagen! Darum Christus Orpheus in den Katakomben! Orpheus hatte mit seinem Lied die Schicksalsgötter erweicht, um seine geliebte Eurydike, die gestorben war, aus dem Schattenreich zurück zu holen – wenn er sich nicht auf dem Rückweg aus Angst um sie nochmals umgedreht und so den Sieg über den Tod doch noch verspielt hätte. Christus Orpheus geht auch bis in die Unterwelt, aber in unverbrüchlichem Gott-Trauen, darum holt er, was er liebt – die Schöpfung, uns – aus den Kellern der Angst. Das Geheimnis des Gottes an unserer Seite, an unserer Seite für immer. Das ist Weihnachten – unzerstörbar selbst durch die trivialste Verkitschung noch. Wie könnte es auch anders sein, wo wir an diesen Tagen doch in unser eigenes Innerstes schauen!